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V o r w or t.
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Der Froschmäuseler des Georg Rollenhagen, ein
Volksbuch von echter Klassizität, wie das sinn- und formverwandte
Buch von Reinecke dem Fuchs, verdient nicht minder als dieses
dem deutschen Volke erhalten zu werden. Zwar hat das Gedicht
seiner Zeit eine umfassendere Tendenz gehabt, als es jetzt haben
kann, indem gewisse kirchlich-politische Anspielungen gar nicht
oder nicht allgemein genug mehr treffen; indeß bleibt der übrige
und bei weitem beträchtlichere Theil desselben in seinen allen Zeiten
entsprechenden Zeichnungen des Familien- und Staatslebens immer
noch interessant und lehrreich in hohem Maße. Auch die schlichte,
biedere Sprache des Buchs, die durch etwaige Modernisirung gar
nicht zu ersetzen wäre, die edle Keuschheit in Wort und Bild sind
gewiß Eigenschaften, die ein Dichterwerk wie dieses verewigen
helfen.
In vorliegender Bearbeitung des Froschmäuseler sind die außer
Kurs gekommenen Anspielungen beseitigt ; verschiedene fremdartige
Episoden, welche theils der Odyssee, theils aus Reinecke dem Fuchs
entlehnt waren, ausgeschieden; hier und da veraltete, jetzt ganz
unverständliche Ausdrücke und Wendungen gegen neuere vertauscht,
und ist der zuweilen sehr holperige Versbau durch natürlichere
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Wortstellung und gebräuchlichere Biegungen möglichst geebnet. Alle
Härten und Dunkelheiten im Ausdruck konnten jedoch, ohne der
Originalität des Werkes Gewalt anzuthun, nicht durchgehends
vermieden werden. Nöthigenfalls sind dann an den betreffenden
Stellen kurze Erklärungen in Parenthese beigefügt.
So wie der Froschmäuseler bisher, liegt noch manch edler
Schatz der ältern klassischen Literatur Deutschlands vergraben, der
nur gehoben zu werden braucht, um zu nützen. —
Die Pädagogik spricht entschieden dafür, daß der Lesestoff für die Jugend aus
unseren Klassikern zu wählen sei, weil eine solche Auswahl für
Jung und Alt zugleich Interesse hat. Einer solchen Auswahl
zählen wir auch den Froschmäuseler von Rollenhagen bei, und
dürfen das Gedicht in feiner nunmehrigen Gestalt mit gutem
Gewissen allen Eltern und Erziehern, wie überhaupt dem deutschen
Volke empfehlen, überzeugt, daß es gar bald der Liebling
Aller, der Großen wie der Kleinen werden wird.
Friedlich Seidel.
1
Der Froschmäuseler
Erster Theil.
Von der ersten Kundschaft des Mäusekönigsohns,
Bröseldieb, mit dem Froschkönige Bausbacken.
Das erste Kapitel.
Von Bröseldiebes, des Mäusekönigsohns Kundschaft
mit dem Froschkönig.
a Aschanes mit seinen Sachsen
Aus dem Harzfelsen ist gewachsen,
War mitten in dem grünen Wald
Ein springend Brünnlein süß und kalt,
Das an dem Falkenstein herfloß,
Sich in ein'n großen See ergoß,
Und da am warmen Sonnenschein
Wässert' viel Baum' und Blümelein,
Viel Frosch' und Fisch', viel Krebs' und Schnecken,
Das Rohr wuchs wie ein Haselstecken,
Als ob's das Schilfmeer selber wär',
Dadurch Moses führt' Gottes Heer;
Daß nicht allein die Nachtigall
Da sang, das klang im Berg und Thal,
Sondern der Rohrsperling und Grasmusch,
Und andre mehr im finstern Busch
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Ihr Nest und Wohnstatt so besungen
Und die Stimmen gen Himmel klungen,
Daß im Wasser der Wiederhall
Sein' Antwort gab mit Freudenschall.
Daselbst von vielen alten Jahren
Die Frosch' der Herrschaft mächtig waren,
Da Sehbold Bausback wohlbedacht
Hof hielt mit königlicher Pracht.
Wie nun anfing der grüne Mai,
Wollt' der König von Sorgen frei
Mit seines Hofes Dienern all'
Ein Freudenspiel halten einmal,
Und setzt' sich an den Sonnenschein
Besonders hin vor der Gemein'
Auf ein'n Hügel mit grünem Moos
Ueberwachsen schön, weich und los,
Daß die Bachmünzen und Polei
Auch Schatten g'nug machten dabei.
Und ließ vor sich seine Trabanten
Und die seine Herrschaft erkannten,
Sich da üben im Ritterspiel,
Der Kurzweil auch treiben gar viel
Mit Wassertreten, Untersinken,
Mit offnem Maul doch nicht ertrinken,
Eine Mück' in einem Sprung erwischen,
Künstlich ein rothes Würmlein fischen,
Auf gradem Fuße aufrecht gehen,
Und also einen Kampf bestehen;
Einander mit Springen, Singen
Im großen Vortheil überwinnen.
So zogen sie mit Wasserklang
Wie Waldvöglein zum Kampfgesang,
Daß man durch Wasser und Wald dieß Krachen
Ein'n Wunderfreudenschall hört' machen,
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Wie Junggesellen zur Sommerszeit
An Wasser und Wiesen suchen Freud',
Wie auf den Schulen die Studenten
Baden und tauchen gleich den Enten,
Schwimmen künstlich gleich Gänsen und Schwänen,
Fischen, fahren in Schiffen und Kähnen,
Fechten, schlagen Ball, springen's Kleid,
Wissen von keiner Traurigkeit.
Singen auch ihr' vielstimmige Reigen
In Pfeifen, Zithern, Lauten, Geigen,
Fein kunstreich nach der Musen Art,
Kein fröhlicher Volk je funden ward.
Also thäten die Fröschlein auch,
Hielten ohn' Sorg' ihr Spiel und Brauch.
Indem aber die Wasserkind'
Also im Spiel begriffen sind,
Und die Sonne von oben 'rab
Nunmehr den kürzesten Schatten gab,
Aber die allergrößte Hitze
Stieß aus des Himmels Mittelspitze,
Kam aus dem Wald ein kleiner Mann,
Hatt' ein schön weißes Pelzlein an,
Rothe Korallen um den Hals,
Ein'n Leibgürtel vergüldet als,
Und führt ein Schwänzlein als ein Schwerd,
Trabt keck einher als wie ein Pferd,
Und ging den andern allein für,
Denn es folgten noch andre vier
Mit aschenfarb'nen Pelzelein,
Sollten feine Trabanten sein.
Der eilet durstig zu dem See,
Denn der Sonne Hitz' that ihm weh,
Und sprang zum Wasser ab vom Land,
4
Lehnet sich auf die linke Hand,
Neigt das Haupt, daß sein kleiner Bart
Voll Wassers wie voll Perlen ward,
Weil er ihn ganz in's Wasser steckt,
Und dasselbe so gierig leckt,
Als wenn's Zucker und Honig wär'.
Das Zünglein wand sich hin und her,
Wischet das Näslein und den Mund,
So weit es den erreichen kunnt',
Und schmatzet wie die kleinen Kind',
Wenn sie an der Mutter Brust sind.
„Wie schmeckt das Wasser mir so süß",
Sprach das Mäuslein, „wie ein Milchmus,
Wenn man's mit Durst nur würzen mag,
Wie ich gethan hab' diesen Tag."
Das sah und hört ein Frosch von fern,
Fuhr ab zum König, seinem Herrn;
Der König schickt' Grünrock zu sehen,
Und starker Trabanten achtzehen.
Sie sprangen ab zum See in Eil',
Schossen hinaus gleich wie ein Pfeil;
Bald ward Grünrock der Fünf gewahr,
Sprach: „Diese Reis' ist ohn' Gefahr,
Es sind Mausmännlein, wie ich seh',
Von denen eins weiß ist wie der Schnee!"
Wie nun die Frosch' an's Ufer kamen,
Aus dem Wasser den Auftritt nahmen,
Trat das Herrlein muthig hinan,
Sprach: „Ho, Glück zu, mein lieber Mann !
Ich bin an euren See gekommen,
Hab' ein frisch Trünklein eingenommen;
Kann ich euch für den Wassertrank
Wiederum erzeigen einen Dank,
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So thu' ich das ohn' all' Beschwer'n,
Will euch zu Ehren dienen gern."
Der Grünrock und seine Gefährten
Mäuler und Augen weit aufsperrten,
Er sprach: „Gnad', Herr! Wir sind gekommen,
Weil unser König gern vernommen
Eu'r ehrenfeste Gegenwart,
Begehrt in Gnaden, wollt unbeschwert
Euch nennen und ihr' Majestät
Besuchen, daß sie jetzt der Stätt'
Am Ufer wartet der Ansprach';
Es ist ja eine ehrliche Sach'.
Daß aber auch unser Seetrunk
Wohlgeschmeckt eurem Herzen jung,
Hören wir und gönnen's euch gern,
Fordern dafür auch kein Verehr'n,
Denn wie die Sonn' und Luft ist gemein,
Soll auch der Trank des Wassers sein!"
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Das Männlein sprach: „Ist's wie ihr sagt,
Daß eu'r König mein'n Namen fragt?
Führt mich nur hin zu Land mein' Straß',
Im Wasser weiß ich keinen Paß,
Denn ich bin des Mäusekönigs Sohn,
Hab' daheim mein Szepter und Kron'."
Dem König ward vermeldet schon,
Daß ankäme des Mäuskönigs Sohn,
Darum ging der König herfür
Bis an desselben Ufers Thür,
Daß er ihn ehrlich wollt' empfangen;
Neben- und hinterher kam gegangen
Der Hofediener große Schaar,
Des Gastes all' zu nehmen wahr.
Der junge König, als er gesehen
Den Froschkönig zu ihm hergehen
In seinem grünen Sammetkleid
Mit Gold verbrämt zu jeder Seit',
Und Augen wie der Morgenstern
Schön hervorglänzen in der Fern',
Dazu den buntgefleckten Haufen
Der Frösch', die all' kamen gelaufen, —
Gedacht er: „Ei, es ist Unehr',
Daß ein König verzaget wär',
Du willst hintreten ohne Scheu;
Des Mann's Geg'nwart schreckt wie ein Leu !"
Und braucht dabei höflich Geberd',
Wandt's Angesicht züchtig zur Erd',
Faßt' mit der rechten Hand die Brust,
Und neiget sich, wie er wohl wußt',
Hernach kredenzt er in dem Stand
Dieselbe seine rechte Hand,
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Gab sie dem König, der zuvor
Sein' Hand ihm da anbot, empor.
Der sprach: „Sei willkomm'n, lieber Gast!
Setz' dich daher zu mir in Rast,
Und ruh' wohl aus die Mattigkeit:
Dein' Reis' ist olme Zweifel weit,
Denn ich dich zuvor nie gekannt."
Damit nabm er ihn bei der Hand
Und setzt' sich neben ihn in's Gras,
Da das weiche Moospolster was (war).
Das Männlein sich in Ehren wehrt,
Setzt' sich endlich doch auf die Erd';
Die Diener warten auf von fern,
Wollten ihre Wort' anhören gern;
Wie auch die Fröschlein allesammen
Mit großem Drang heraner kamen,
Daß vor Getümmel an dem Ort'
Niemand höret sein eigen Wort.
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Der König aber gab ein Zeichen,
Daß sie Plötzlich all' mußten weichen,
Und Jedermann zur Seit' abgehen;
Nur vier Trabanten blieben stehen.
Das zweite Kapitel.
Bröseldieb rühmt sein Geschlecht und seine Weisheit.
Als das Männlein von Bausback hört
Gar viel freundliche Ehrenwort',
Wuchs ihm das Herz im Leib so groß,
Daß auch der Bauch weiter auffloß,
Antwortet mit kurzem Bedacht
Dem König auch in großer Pracht :
„Herr Bröseldieb nennt man mich schon,
Bin König Parteckfresser's Sohn;
Meine Frau Mutter Leckmüll kam
Von König Schinkenklauber's Stamm,
Die mich in unserm Schloß gebar,
Welch's gar ein heimlich Mausloch war,
Und erzog mich mit guter Speis,
Feigen und Nüßlein, bester Weis,
Daß ich über der Mäuse Heer
Nach meinem Vater Erbe wär'.
Daran ist auch gar nichts gelogen;
Das Ansehn hat mich nicht betrogen,
Daß ich vom Glück auch müßte haben
Besonders stattliche Heldengaben.
Denn ich hab' einen Prophetengeist,
Denselben brauch' ich allermeist,
Wenn ein altes Haus will einfallen,
Wandre mit meinen Freunden allen;
Oder wenn Gott ein Haus strafen will,
Mach' ich mich hinaus in der Still'.
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Wenn auch ein Krieg soll angehen,
Und dann Gewehr' in Kirchen stehen,
Die beiß' ich durchs Metall entzwei,
Daß ich die Menschen warn' dabei.
Darum bin ich so weis und klug;
Ein Löchlein ist mir nicht genug;
Ich muß stets eins in Vorrath haben,
Wenn ja das andre würd' vergraben.
Denn das ist eine arme Maus,
Die nur weiß zu ein'm Loch hinaus."
Das dritte Kapitel.
Bröseldieb rühmet seine Mannheit, Stärke und Ansehen.
onst bin ich zwar klein von Person
Und meiner Eltern gleicher Sohn,
Aber das Herz ist groß und gut,
Dabei ein unverzagter Muth.
Was sollt' der Maulwurf wider mich
Oder Eidechs versuchen sich?
Ich halt' eine Schlange bei der Kehle,
Bis ich sie alle todt hinquäle.
Ja ein ganzes Fähnlein Heuschrecken
Wollt' ich mit einem Sprung erschrecken,
Und ein halb Tausend Grillen jagen,
Mit Füßen treten und zerschlagen,
Wie ich noch hab' erwiesen heut' :
Denn wie ich ausziehe nach Beut',
Und einen Kirschbaum hatt' erstiegen,
Fing an ein Zweiglein sich zu biegen.
Da flohen rottenweis' davon
Der Heuschrecken ein Bataillon,
Und auch der Käfer manche Art,
Wie sie spürten mein' Gegenwart.
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Denen bin ich so nachgeeilt,
Daß meine Diener mich verfehlt,
Und ich mit den Vieren bin gekommen,
Allein zu trinken aus dem Bronnen.
Dieweil aber der Herr der Welt
Sein Regiment also bestellt,
Daß kein Thier lebet überall,
Es hat seinen Feind und Unfall:
Ia das veracht'te Gräselein
Hat seinen Feind am Schäfelein,
Das Schaf den Wolf, der Wolf den Hund,
Der Hund des Baren Klau'n und Mund,
Der Bär den großmüthigen Leuen,
Und der Low' muß das Mannthier scheuen.
Das Mannthier eins das andre mord't,
Was man von keinem Thier sonst hört;
Denn dieß das allerbösest' ist,
Beides mit Stärke und mit List: —
Damit Niemand auf dieser Erde
Zu sehr stolzier' und sicher werde,
So hab' auch ich sammt mein'm Geschlecht,
Die uns zwingen mit dem Faustrecht.
Doch ihr'r nur drei in der Welt sind,
Die ich vor Allem flieh' geschwind;
Der Falke und die leid'ge Katz'
Thun mir beide großen Aufsatz,
Die Fall' auch mit ihrem Nothstall
Bringt manch' ein Mäuselein in Unfall,
Von welchen wär' zu lang zu sagen
Und hier am Freudentag zu klagen.
Euer Lieb halt' mir das zu gut,
Was sonst die Jugend alle thut,
Braucht unbedachte Weitläuftigkeit,
Sonst ist wahrhaftig der Bescheid!"
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Das vierte Kapitel.
Bausback lobet, baß Bröseldieb sein Mäusgeschlecht
ehrlich hält.
Der König hatt' den kleinen Mann
Vorlängest viel gesehen an,
Wundert' sich der Großmüthigkeit,
Der höflichen Bescheidenheit,
Und sprach: „Ich bin wahrlich erfreut,
Daß wir allhie zu guter Zeit
Zum Gespräch sind kommen beisammen,
Hör' gern dein'n und dein's Geschlechts Namen,
Und dein ganz unerschrocken Herz.
Ich bin dir hold ohn' allen Scherz,
Und acht' dich deiner Freundschaft werth,
Mehr denn Jemand sonst lebt auf Erd'.
Insonderheit mir wohlgefällt,
Daß du kein'n andern Stand gewählt,
Sondern deinen achtest am besten,
Ob er gleich auch hat sein Gebresten (Gebrechen).
Denn dich ist eine seltne Tugend
Und vornehmlich bei der Jugend,
Also daß auch die Menschenkind'
Mit sich selber nicht friedlich sind.
Der ist ein weiser glücklicher Mann,
Der sich in sein'n Stand schicken kann;
Wer das nicht kann, der ist elend,
Und bleibt ein Narr bis an sein End'."
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Das fünfte Kapitel.
Bröseldieb sagt, wie Feldmaus zur Stadtmaus sei zu
Gast gekommen.
Bröseldieb erzählt mit Zucht,
Wie die Mäus' sich haben besucht.
Wie Gutkäschen, die Stadtmaus,
Zur Lust einmal spazieret aus,
Allhie an's Wasser gegangen kam,
Das die Feldmaus Warnfried vernahm;
Ging er mit Freuden unterwegen
Zur Ehrerbietung ihm entgegen,
Hieß ihn freundlich willkommen sein,
Bat, wollt' doch kehren zu ihm ein.
Gutkaschen die Freundschaft annahm,
Ging mit ihm zu der Eichen Stamm,
Da Warnfried in der Wurzel hatt'
Durch ein Löchlein seine Lagerstatt.
Bald kam Warnfriedens Weib gegangen,
Den fremden Gast wohl zu empfangen,
Und ihre lieben Kinderlein
Reichten ihm das Patschhändlein,
Nöthigten ihn zum Niedersitzen.
Gutkäs fürcht't fein'n Pelz zu beschmitzen,
Sah wohl um sich nach reiner Stätt',
Ob man nicht da Stuhlpolster hätt',
Wie er in der Stadt war gewöhnt.
Der Hausfrauen das sehr verhöhnt;
Sie legt ein Bündlein Widerthan,
Das glänzet wie ein rother Mahn (Mohn),
War aus dem Moos rein ausgeklaubt.
Diesem der Gutkäs noch vertraut,
Und nach vielem Besehn zuletzt
Sich darauf zärtlich niedersetzt.
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Der Sohn auf der Mutter Geheiß
Lief in die Nachbarschaft mit Fleiß
Zu seinem Schwager Fürchteschnee,
Der seine Schwester hat zur Eh',
Zu verkünden den neuen Gast.
Der wollt' auch kommen gleich mit Hast;
Der säumt sich auch nicht um ein Haar,
Befahl der Frau die Sachen gar,
Und kam dem Gast zu Ehren an,
Erzeigt sich als ein will'ger Mann,
Setzt selber herzu Stühl' und Bänke,
Riß dabei viel Possen und Schwänke,
Den Gast damit fröhlich zu machen,
Etwa zu gewinnen ein Lachen.
Warnfried trug vor ein Tischlein glatt,
Gemacht von einem Schulterblatt
Der todten Katze, weiß polirt,
Mit Krausemünz' er's rieb und schmiert',
Damit es fröhlich zuröch' dem Gast.
Die Frau Sparkrämlein eilet fast,
Legt auf ein Tischtuch ganz spannneue,
Gewirkt aus mattem Flachs im Heue.
Die Kinder brachten Teller und Brod,
Von harten Käsen etliche Schrot,
Reis, Erbsen, Bohnen, Weizenähren,
Für den Mund erspart zu Ehren.
Sie wuschen die Hände, hielten's Gebet,
Welch's denn der Hausherr selber thät,
Und ließ die Kinder sprechen nach;
Jeder setzt sich wieder gemach.
Der Wirth legt dem Gast fröhlich für,
Sprach : „Ihr wollt frisch zugreifen nur,
Hausmannskost euch lassen wohl schmecken;
Wir wollen Honig auch zulecken.
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Bot ihm dazu eine Nußschal',
Darin der Honig überqual (quoll).
Der Stadtjunker den Honig leckt,
Die Speis' ihm aber gar nicht schmeckt.
Er fragt auch, ob er nicht vom Käs'
Zur Lust ein kleines Bißchen äß' ?
Der Gast antwort't: „Ich ess ihn wohl,
Doch wenn ich will, nicht wenn ich soll;
Umsonst ich nicht Gutkäschen heiße,
Die besten ich am liebsten beiße."
Da holt der Wirth noch Andres mehr,
Hafer- und Gerstenkörnlein her,
Linsenschrötlein, frischen Hanfsamen,
Des Vorrath's mancherlei ohn' Namen.
Zu schaffen hatt' das ganze Haus,
Als gäb' es einen Hochzeitschmaus.
Erst warten auf zwei schöne Jungfrauen,
Ob etwas mangelt aufzuschauen,
Ging'n zu der Küche aus und ein,
Es wollt' von ihnen sich setzen kein',
Bis der Ält'ste Sohn Meuselman
Von seiner Jagd zu Hause kam,
Bracht' ein Sacklein voll Haselnüsse.
Der wusch erstlich sein' Händ' und Füße,
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Hieß die Jungfrauen, zum Wohlstand
Dem Gast an seiner linken Hand
Zur Mutter an die Seite gehen;
Er blieb zum Dienst vor'm Tische stehen
Mit seinem Bruder Wettelauf,
Der alles half mit tragen auf.
Vor Allen aber spart sich nicht
Des Wirthes freudig Angesicht,
Und der Hausmutter guter Wille,
Die Alles darreicht mildig stille,
Und sprach gar freundlich zu dem Gast:
„Mein Junker, bitt' euch, gefallen laßt
Unsre Armuth, so gut wir es haben,
Wollt' euch mit den Hanfkörnlein laben,
Sie räumen gar wohl um die Brust!" —
Der Junker hatt' dazu kein' Lust.
Der Eidam zeiget sich mannhaft
Bracht' einen Trunk von Birkensaft;
Denn wenn anfing der grüne Mai,
Biss'n sie die Birkenrind' entzwei
Unten am Stamm eine tiefe Wund',
Daraus der Saft entspringen kunnt,
Lief in große welsche Nüsse;
Der war nachmals gefund und süße.
Noch trug man her zum dritten Mal
Vielerlei Nüßlein in der Schal',
Von Haseln, Buchen, Eichenbäumen,
Kastanien, Kerne von Pflaumen,
Die schälten die Kinder schön rein,
Zerlegten sie dem Gast fein klein.
Der hat ein'n Ekel vor dem Allen,
Was ihm geschah zum Wohlgefallen.
Wie nun da stand das Geringste und Beste,
Nichts übrig war im ganzen Neste,
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Sprach der Wirth: „Allerliebster Freund,
Wenn ich etwas vermocht' und könnt',
Das besser wär', ich gönnt's euch gern;
Ihr seht, wir sind keine großen Herrn,
Darum wollt ihr nehmen vorlieb ! -----
Der Wort' er sehr viel davon trieb.
Der Gast antwort't endlich gar prächtig:
„Unser Aller Gott ist allmächtig,
Der Alles kann, was er nur will.
Sonst, mein' ich, sind der Mäus nicht viel,
Die solche Pracht und Herrlichkeit
Der Nahrung haben diese Zeit,
Als ich in meiner Residenz
Genieß' aus goldenem Kredenz (Geschirr).
Und wenn ihr das selbst wollt anschauen
Mit euren Kindern und der Frauen,
So zieht mit mir die Stadt hinein.
Da woll'n wir erst recht fröhlich sein,
Essen und Trinken hervorlangen;
Da soll etwas anderes herprangen,
Denn diese arme Bettelei;
Und ihr meint, daß nichts Bess'res sei !
Hat's in der Stadt nicht bess're Gestalt
Bei Menschen, denn bei Thieren im Wald?"
Warnfried sprach: „Ich bin wohl vergnüget,
Was mir der liebe Gott zufüget;
Jedoch wenn ich ein' Bess'rung wüßt',
Kriegt' ich zu wandern noch Gelüst.
Was du jetzt hast, halt' stets für gut,
Und streb' nach dem, das besser thut.
Das Best' man billig wählen soll,
Das Böse kommt von selber wohl,
Sagen die Weisen insgemein.
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Ich will mit dir ziehen hinein,
Die Gelegenheit selbst beschauen,
So weiß ich, wem ich soll vertrauen.
Das sechste Kapitel.
Die Feldmaus gehet in die Stadt zu Gaste.
Es war die Zeit um Mitternacht,
Daß keins von den Mannthieren wacht,
Es schwiegen auch die Vögelein,
Die in dem Wald und Wasser sein,
Und alle Thier' im ganzen Land.
Der volle Mond am Himmel stand,
Ging in der Still' sammt seinen Sternen,
Daß man nichts hört von nah noch fernen.
Da wanderten die Mauslein beid'
An die Stadtmauer nach der Seit',
Da das Thor war geschlossen fest,
Und krochen unten durch zuletzt.
Die Wächter ihrer nicht vernahmen,
Zum Haus sie auch noch zeitig kamen,
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Darin Gutkäschen war daheim,
Schlüpften allbeid' zum Fenster ein.
Der Hausherr aber hatt' den Tag,
Wie er auch sonst gemeinlich pflag (pflegte),
Mit großen Herren bankettirt,
Gefressen, gesoffen, jubilirt;
Und war auf dem Tisch ausgebreit't
Ein rother Sammet wohlbereit't,
Darauf im Silber standen rein
Mancherlei Eierküchelein,
Rosinen, Zucker, Mandelkern',
Zybeben, hergebracht von fern,
Lebkuchen, Aepfel, Birn' und Nüss',
Kastanien gebraten süß;
Und dabei war ein Becherlein
Mit dem allerlieblichsten Wein,
Muskatell, Bastard, Mekanien,
Von Würz' gemacht, viel ungenannten,
Was Alles denn war übrig blieben,
Nachdem sie hat der Trunk vertrieben. —
Zudem sie sprangen auf die Bank,
Auf gewirkte Polster kurz und lang;
Warnfried hüpft' auf die Sammetdeck',
Wundert sich der köstlichen Schleck (Schleckerei),
Nahm Zuckermandeln und Zybeben.
„Dieß", sprach er, „ist ein englisch Leben.
Wie lieblich schmeckt der edle Wein,
Im Himmel kann's nicht besser sein!"
„Ja freilich", sprach Gutkäs mit Pracht,
„Darum hab' ich oftmals gedacht,
Ihr Bauersleut' geht in Aberwitz,
Daß ihr liebet den Ackersitz,
Und solltet in der Stadt mit Ehren
In Wollust leben, wie wir Herren!" ----
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Indeß erwacht der Kaufmannn wieder,
Der sich unlängst geleget nieder,
Denn derselbe war der Hausherr.
Der große Trunk ward ihm zu schwer,
Ueber Herz und Haupt er Jammer klagt,
Rief seiner Frau und Knecht und Magd.
Da sie nun so ein Lärmen machten,
Und alle Thür'n im Hause krachten,
Da riefen beide Katz' und Hund.
Der Bissen erstarb in dem Mund
Unsern Mäuslein, den lieben Gästen,
Wurden verstöret in dem Besten.
Die Stadtmaus sprang zu ihrem Loch,
Die Feldmaus hin und wieder kroch,
Wußt' nicht, was sie doch nehm' zur Hand;
Sie war ganz und gar unbekannt.
Endlich wie über alles Hoffen
Wied'rum ein Stillstand war getroffen,
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Daß man überall Niemand hört,
Kroch Gutkäs hervor aus seinem Ort,
Rief seinen Gast mit leiser Stimm',
Daß er wieder käm' zu ihm,
Die angefangne Freud' zu vollenden.
Warnfried fragt mit zitternden Händen,
Ob sich's auch mehrmal so begäb',
Daß dieser Lärmen sich erheb' ?
Gutkäs antwortet: „Das acht' ich nicht,
Weil es fast täglich hier geschicht.
Davor mußt dir nicht grauen lassen,
Dagegen desto besser prassen.
Hofsuppen sind lieblich zu lecken,
Werden aber gewürzt mit Schrecken!"
Warnfried antwort't: „Ist's täglich so,
So bin ich des Prassens nicht froh,
Da ist mehr Gall' denn Honig bei,
Dessen bin ich daheime frei.
Gott ehr' mir mein arm Käs' und Brod,
Das bringt mir kein Schrecken zum Tod,
Lässet mich mit gutem Gewissen
Friedlich meine Arbeit genießen.
Ade, mein Freund, zu guter Nacht,
Ich muß anheim, eh' man erwacht!"
Also kam Warnfried voller Sorgen
Wieder zu Haus am frühen Morgen.
Dieß hab' ich euch nur darum erzählt,
Weil euch die Weise wohlgefällt,
Daß Jeder bleib in seinem Stande,
Er sei in Städt'n oder auf dem Lande.
So müss'n wir Mäus' es Gott befehlen,
Daß der Feinde List und Macht uns quälen.
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Das siebente Kapitel.
Von der Frösche Feinden.
Bausback sagt: „Ich hab' deine Wort'
Mit sondrer Wollust angehört,
Und soll euch Mäusen nicht gereuen,
Daß ihr wollt still sein und Gott trauen;
Denn die Feinde, davon du sagst,
Ueber Falk', Katz' und Wiesel klagst,
Sind uns're Feind', beid' insgemein,
Verschonen unser durchaus kein'n.
Denn Murners Bruder, Heinz, der Kater,
Reinfuchs, Reinhards Vater und Großvater,
Braunrock, der Wiesel, Falk' und Mard,
Alles was ist derselben Art,
Fressen uns Frosch' in Hungersnoth,
Haben ihrer viel gebissen todt.
Greifzu, der Weihe, holt uns oft
Vom Ufer weg gar unverhofft.
Man sagt auch viel von den Nachteulen,
Nichts Gut's bedeut' ihr schrecklich Heulen,
Das wir schon viel erfahren haben,
Viel' sind mit dem Trauerlied begraben;
Sonderlich fuhrt der große Uhu
Uns häufig seinen Kindern zu.
Daneben sind im Wasser mehr,
Die uns Fröschen zusetzen schwer,
Schnabber, der Hecht, Kriimmling, die Schlang',
Enten, Schwäne, der Netzefang.
Doch unter allen geht weit voran
Barthold Leisetritt, der Tyrann. (Storch.)
Das hat uns Gott gesetzt zur Plage,
Das bringt uns großes Leid und Klage;
Und zwar wir haben's wohl verschuld't,
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Müssen mit Schaden hab'n Geduld.
Dieweil ich aber diesen Tag
Keine Reichssachen hören mag,
Sondern die Stunden, so übrig sind,
Ehe des Tages Licht verschwind' !
Und sich die Sonn' über den Wald
Verkreucht und die Nacht hereinfallt, —
Mit Freundsgespräch von fremden Dingen
Gern' allhier wollt' ruhig zubringen,
So geschähe mir besond're Lust,
Wenn du, wie dir denn wohl bewußt,
Noch ferner von dein'n Feinden wollt'st sagen,
Und wie sich eure Krieg' zutragen.
Das will ich dir hinwiederthun,
Und dann mit dir, als meinem Sohn,
Heim ziehen in mein Schloß, das feste,
Dir erzeigen das Liebst' und Beste;
Auf den Abschied hernach beschenken :
Dein Leblang sollst du mein gedenken."
Das achte Kapitel.
Bröseldieb klaget über Mäusefallen
Darauf antwortet Bröseldieb :
„Was von mir fordert Euer Lieb',
Thue ich Alles ohn' Beschwern,
Will nach der Läng' erzählen gern,
Und dem König frei offenbaren,
Was ich von den Dingen erfahren,
Oder von meinen Eltern gehört,
Und glaub' auch billig ihrem Wort.
Ich muß aber vor andern Allen
Den Anfang machen mit den Fallen,
Welche täglich auf neue Weif'
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Gemacht werden mit großem Fleiß
Von den rachgierigen Mannthieren,
Die aufs Gräulichste tyrannisiren.
Da steht ein schönes Häuselein,
Mit Thür'n und Fenstern gezieret fein,
Als wär's des Priesters Losament (Wohnung).
Der Speckbraten am Balken hängt;
Sobald man aber hinein will gehen,
Sich nur ein wenig da umzusehen,
Schmecken, ob dem Koch auch der Braten
Ganz allerdings sei wohlgerathen,
Daß er kein'n Mangel hab' an Schmalz,
Oder etwa zu wenig Salz;
Ob Alles gar sei, oder roh:
Da wird man der Kurzweil nicht froh;
Da platzen zu Fenster und Thür',
Des Mannthiers Kinder springen herfür,
Rufen: „Wir haben den Feind gefangen,
Wollen wir ihn fengen, oder hangen?"
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Ach Gott, wir sind gefangen arm,
Da ist Niemand, der sich erbarm' !
Desgleichen macht der Mensch ein' Brück',
Und hängt jenseits von Speis' ein Stück.
Wenn man vermeint, ganz fest zu stehen,
Und will zur Speis' hinüber gehen,
So sinkt die Brück' verrätherlich,
Stürzet das Mäuslein unter sich
In's Wasser, oder Narrenkasten,
Muß den Braten sehr theuer ausfasten.
Ueberdas nimmt der Mensch ein Bret,
Oder ein'n breiten Stein zur Stätt',
Stellt den auf mit ein'm Kreuzelein,
Als wär' es ein schön Netkläuselein.
Wenn dann die Maus nach dem Gebet
Dem gekreuzigten Speck zugeht,
Ergreift in Andacht den Querstecken,
Will mit ein'm Kuß die Wunden lecken,
So schlagen Kreuz und Klaus' hernieder:
Niemand kam von dem Gebet se wieder.
Wenn dadurch gewitzigt die Maus
Nicht mehr 'nein will in das Mordhaus,
So setzt man ein schön Zuckermehl,
Das einem schmeckt durch Leib und Seel';
Oder ein'n feisten Sachsenspeck,
Und was sonst ist der Mäuse Schleck,
Bis man's gewohnt, so mengt man drein
Ein röthlich, tödtlich Pülverlein,
Und setzt zu trinken g'nug dabei,
Daß man desto fröhlicher sei.
Der Teufel dank' ihm der Wohlthat,
Die nichts denn Gift in Töpfen hat!"
25
Das neunte Kapitel.
Bröseldieb sagt, wer Murner sei.
„Murnern, der Katzianen Patron,
Lehrt' mich kennen mein' Mutter fromm.
Ich bat, wie ich noch war ein Kind,
Wie die Kinder vorwitzig sind,
Sie wollt's lassen einmal geschehen,
Mich auch lassen die Welt besehen,
Dieweil ein heimgezogen Kind
Unverständig blieb, wie ein Rind;
Wie sie denn oftmals diese Wort'
Vom Herrn Vater selbst hätt' gehört.
Sie wehret ab mit Hand und Mund,
Predigt mir viel von Katz' und Hund,
Wie die uns wären so gefähr (-lich).
Ich bat und gilfert' immer mehr,
Bis sie zuletzt williget drein,
Daß ich ein' Stund' möcht' von ihr sein;
Warnet, doch mich mit ganzem Fleiß,
Und saget von des Murners Weis',
Daß er versteckt im Winkel säß',
Und die Mäuslein ohne Brod 'neinfräß',
Das wär' seine allerliebste Speis'.
Den sollt' ich meiden ja mit Fleiß.
Ich schlich unter der Wand herfür
Nach unsers Schlosses Vorderthür,
Die in des Mannthiers Haus hinging,
Davon es Wärm' und Rauch empfing.
Und guckt' heimlich zuerst heraus,
Wie eine unbewanderte Maus,
Ob auch hier wär' sicher Geleit',
26
Oder ob der Murner saß' zur Seit'.
Da saß im Haus im Sonnenschein
Ein schönes weißes Jungfräulein ;
Sein' Aeuglein glänzten hell und klar,
Es leckt' und schlichtete sein Haar,
Küsset die Händ' und wusch sich rein
Ueber die zarten Wängelein.
Das Herz im Leib' verlangte mir,
Daß ich doch treten möcht' herfür,
Dasselb' mit adeligen Sitten
Um seine Lieb' und Freundschaft bitten,
Küssen ihre schneeweißen Hände:
So hätt' all' meine Sorg' ein Ende.
Es trat aber am Platz' herum,
Im Haus die Läng' und in die Krümm'
Ein erschreckliches Wunderthier,
Davor die Haut erschüttert' mir.
Vom Haupt zum Fuß ganz die Gestalt,
Wie man ein'n Basilisken malt.
Ich dacht', ob das der Murner wär',
Der uns Mäusen ist so gefähr?
27
Bornen am Kopf war er geschlacht,
Nie man die bösen Geister macht,
Mit einem krummen, spitzen Schnabel,
Hat Fuß' getheilt wie ein' Mistgabel,
Und ein'n zweispitz getheilten Bart
Nach des Mannthiers gräulicher Art;
Und auf dem Haupt ein' glühend' Kron',
Mit viel Thürmen erhoben schön.
Aus dem Leib' gingen beisammen
Ein großer Hauf' gelber Feuerflammen,
Gekrümmt unter und über sich,
Ueberaus häßlich und schrecklich.
Damit pranget er über die Erd',
Trat einher wie ein reisig Pferd.
Von seinen Trabanten wohl zehen
Sah ich all'zeit hinter ihm gehen,
Doch nicht so stattlich ausgemacht;
Der König trug allein die Pracht.
Wie ich nun blieb im Löchlein stecken,
Dem Abenteuer zusah mit Schrecken,
Fängt er an, den Boden zu schnäbeln,
Scharret mit den zwei Mistgabeln
Und ruft: „Guck, guck, kurith, merk' auf!"
Da erhob sich ein großer Zulauf:
Die Trabanten waren gar schnell,
Zu hören des Königs Befehl,
Reckten auf die Köpf' zu der Stätt',
Zu sehn, was er geschrieen hätt';
Bis der König mit großem Prassen
Sprang auf die Hausthür nach der Gassen,
Und schlug die Arm' auf beide Seit',
Sperret den Rachen auf gar weit
Und rief, man hat es weit gehört,
Diese ganz erschrecklichen Wort' :
28
„Rück', rück' ihn heraus beim Kragen!"
Als hätte mich der Donner geschlagen,
So stürzt' ich zu dem Loch hinein,
Lief zu meinem Frau Mütterlein.
Die erschrak und fragt, was mir wär',
Daß ich fast hätt' kein'n Athem mehr,
Und also sehr fing an zu beben?
Wollt' mir Arznei für'n Schrecken geben.
Ich sprach: „O Mutter! Der Murner
Hat mich erschrecket also sehr,
Daß ich schier nimmer Athem hol'.
Wie habt ihr mich gewarnet wohl!"
„Was that er denn?" die Mutter sprach.
Ich sagt': „Im Haus ich sitzen sah
Ein zartes schönes Jungfräulein,
Im weißen Pelzchen artig fein,
Das schmückt' sich mit geleckter Hand.
Ich hätt' mich gern zu ihm gewandt
Und um ein'n Kuß freundlich gebeten:
Da kommt der Murner hergetreten
Mit Gabelfüßen, mit der Kron',
Mit brennendem Schwänze angethan,
Schrie, sie sollten mich fassen an;
Und sie hätten's wahrlich gethan,
Wenn ich nicht bald entlaufen war'.
Davon bin ich erschreckt gar sehr."
Da sagt' die Mutter: „Liebes Kind,
Die schrecklich anzusehen sind,
Die thun uns Mäusen nichts zu leid;
Die aber sind voll Freundlichkeit,
So leis und lieblich einherschleichen,
Die Händlein küssen, Willkomm reichen:
Die sind giftiger Kreatur,
29
Teufel unter Engelsfigur.
Dieß sind die gefährlichen Katzen,
Die vorne lecken, hinten kratzen.
Der dich anlacht, der reißt dich hin;
Das ist dieser Welt Weise und Sinn.
Das Jungfräulein, das so schön war,
Bringt uns Mäusen gar große Gefahr,
Füttert seinen Pelz mit unserm Blut.
Gott sei Dank, daß er dich behüt't."
Das zehnte Kapitel.
Beschreibung des Hauspropheten.
„Der König mit der Purpurkron'
Und rothem Bart, mein lieber Sohn,
Ist unsers Wirthes Hausprophet,
Der anzeigt, wie das Wetter steht,
30
Und wie die Nachtwach' sei gethan,
Wie am Zeiger die Stundet gahn (zehn);
Und ist ein Mann von Redlichkeit,
Der keinem Mäuslein thut ein Leid;
Uebervortheilt Niemanden mit List,
Handelt aufrichtig zu jeder Frist,
Daß er lieber den Teufel sehe,
Als daß er mit Jemand umgehe,
Der anders red't mit seinem Mund,
Denn er meinet im Herzensgrund.
Darum du seine Wort' nicht all'
Ganz recht verstehest dieses Mal.
Er hat damit dieß wollen sagen:
Die Glock' hat abermal geschlagen!
Die aber um und bei ihm sein,
Sind alle sein' Hausmütterlein,
Deren er nimmt so viel zu Ehren,
Als er sich getraut zu ernähren,
Wie eh'mals König Salomo
Im Ehestand gethan auch so.
Die lehrt er fromm und häuslich Wesen,
Die Körnlein von der Erde lesen,
Und in's Nest legen weiße Eier,
Davon man Küchlein bäckt, wie Schleier.
Zu Denen magst du wohl hingehen
Und nach deiner Nothdurft zusehen;
Sie gönnen dir gern deinen Theil:
Ihr' Wohlfahrt ist auch unser Heil.
Murner ist aber beiden feind,
Mit keinem Thier er's treulich meint;
Hat auch oft ihre Kinder genommen,
Wo er sie vermocht' zu bekommen;
Ja, er ist so voll böser List,
Daß er die Eltern selber frißt."
31
Dieß war unter andern» mehr
Meiner lieben Mutter Lehr'."
Also beschloß Herr Bröseldieb
Und sprach: „Das ist's, was Euer Lieb'
Wissen wollten von unsern Sachen.
Kürzer hab' ich's nicht können machen,
Und hoff', es sei mir ohn' Gefähr:
Eu'r Lieb' fei mein gnädiger Herr!"
Das elfte Kapitel.
Bausback berichtet über das Froschregiment.
Sehbold Bausback fing darauf an
Zu beiichten dem kleinen Mann:
„Dieweil du mir von deinem Stand
Alles so rund und recht bekannt,
Will ich dir nun von meinem Reich
Auch etwas vertrauen sogleich. —
Wir Frosch' vor etlich tausend Jahren
Keinem König unterworfen waren,
Lebten gar frei nach unserm Willen;
War aber ein Hader zu stillen,
So schlugen sich die Väter drein,
Handelten zum Frieden insgemein.
Die Jungen auch den ält'sten Herr'n
Gehorsam waren willig und gern.
Allesammt aber hielten wir werth
Und ehrten ohne alle Beschwerd'
Unsere Priester und Propheten,
Die uns lehrten, wie man soll beten,
Gott heilig ehren, redlich werben,
Ehrbarlich leben, selig sterben.
32
Nichts bleibt beständig in der Welt;
Was man einst baute, jetzt zerfällt.
So ging es auch unserm Regiment,
Es lief endlich zu bösem End';
Es kamen nach der Länge der Zeit
Gottlose, muthwillige Leut',
Die Eltern und Priester veracht'ten,
Alles nach ihrem Willen machten,
Ermord'ten Jeden mit Gewalt,
Der ihn'n nicht wollt' gehorchen bald.
Es kamen auch hernach gegangen,
Diesen zur Straf', die Wasserschlangen
Mit großen Haufen in den Teich,
Die sie und uns fraßen zugleich.
So kamen wir all' in Gefahr,
Und ward an uns das Sprüchlein wahr:
Um eines bösen Buben Schand'
Wird oft gestraft ein ganzes Land.
Darauf, ich sag's in wenig Worten,
Ist der Storch unser König worden.
Deß Regiment war grausam schlecht,
Der fraß uns ohne Fug und Recht.
Bis endlich ein gar tapfrer Held
Zu unserm König wurd' erwählt,
33
Der hieß Marx Kedarlaomar.
Derselbe nun mein Ahnherr war,
Deß bin ich sein's Sohns Kindeskind,
Wie man in der Stammtafel find't."
Das zwölfte Kapitel.
Der Froschkönig bittet den Mäusekönig zu Gaste.
„Also hab ich dir nun gesagt,
Alles, was du mich hast gefragt.
Damit du aber in der That
Anschauest meine Majestät,
Auch wie die Historien all'
Gemalet sind in meinem Saal',
Und was sonst noch ist geschehen,
Gar wunderbar anzusehen:
So fahr' mit mir an meinen Thron.
Du sollst sein, wie mein lieber Sohn;
Ich will dich begaben und ehren,
Als wohl geziemt solch einem Herren.
Damit du auch habest kein' Gefahr,
Will ich dich selber führen dar (dahin),
Und ganz frei sicherlich geleiten:
Auf meinem Rücken sollst du reiten!"
Bröseldieb sprach: „Ich bin erfreut,
Daß ich erlebt hab' diese Zeit,
Daß die glückliche Stund' ist kommen,
In der Eu'r Lieb' mich angenommen
In solch' Ihr' herrliche Kundschaft,
Ja in Ihr' großmüthige Freundschaft!
Ihr Wort hat mir so süß geschmeckt,
Als wenn man den Milchrahm ableckt,
Als wenn man Rosinbeerlein beißt,
34
Daß ein'm der Wein den Bart abfleußt,
Als wenn man aus dem Wachshäuslein
Aussaugt den neuen Honigseim.
Daß Eu'r Lieb' aber sich hören läßt,
Sie wollen mich in Ihre Fest'
Persönlich durch den See selbst führen,
Will sich keineswegs gebühren;
Denn ich bin 's Wasser ungewohnt
Und bleib' damit gar gern verschont.
Darum denk' ich, wird Niemand rathen,
Daß ich mit G'fahr such' fremde Braten,
Oder daß ich mein junges Leben
Um der ganzen Welt Schatz sollt' geben !"
So lehnet er's ab gar bescheiden.
Das Böse ahnt uns stets bei Zeiten.
Das dreizehnte Kapitel.
Von Bröseldiebs kläglichem Abscheiden.
Bausback antwort't: „Du hast gesagt,
Du wär'st beherzt und unverzagt;
Nun merk' ich, es mangelt dir an Muth,
Das ist an einem Konig nicht gut:
Trau' nur und setz' dich auf den Rücken,
Sei unbesorgt, es wird nicht drücken;
Ich bring' dich heim ohn' all' Gefahr,
Netz' dir auch nicht ein einzig Haar;
Willst du aber nicht, so mag es sein,
Wo kein Herz ist, das kommt nichts ein!"
Bröseldieb thaten weh die Wort',
Und sprach: „Wohlan, fahr' immer fort,
Am Herzen muß kein Mangel sein;
Der Muth ist groß, der Mann ist klein;
35
Wenn Eure Diener meine Mann'
Nur auch zugleich mit nehmen hinan." —
„Warum das nicht? Ihr vier Trabanten,
Nehmet sie mit als Freundverwandten!"
Sprach der König und thät sich bücken,
Bröseldieb sprang ihm auf den Rücken,
Schlang um den Hals ihm seine Händ',
Setzt' jeden Fuß auf eine Lend',
Und sprach: „Ei nun, das walt' Gott, Amen!"
Gar bald sie in das Wasser kamen;
Bröseldieb sah mit Freuden an,
Wie umher fuhren so viele Mann,
Insonderheit nah' bei dem Land,
Dahin er stets die Augen wandt'.
Es war ihm auch selbst solche Lust,
Davon er zuvor nie gewußt:
So lieblich süß, so sanft und fein,
Als wollt' er davon schlafen ein.
Es kitzelt' ihn der Wassertanz
Vom Haupt im Nacken bis zum Schwanz,
Gleichwie zwei Kinder sich gebahren,
Wenn sie auf und nieder fahren
36
Auf einem gleichwichtigen Bauholz (Schaukel),
Dünken sich damit mächtig stolz.
Als aber Busback geschwind fortrückt',
Und sich tiefer in's Wasser duckt',
Daß dasselbe stieß an allen Enden
Zusammen über seine Lenden,
Dann seine Hosen wurden naß,
Der Schwanz bezeichnet auch die Straß'
Und schleifet in dem See daher,
Als ob's des Schiffmann's Steu'rholz wär;
Ja, da er konnt' kein Land mehr sehen,
Und 's Wasser über'n Kopf wollt' gehen:
Da kam die Reue, doch viel zu spät;
Er klagt, er flucht, er weint, er bet't,
Er raust in Ungeduld Haar und Bart,
Vor Schrecken auch sein Herz erstarrt,
Daß er nicht wußt', wo aus noch ein,
Oder was der beste Rath sollt' sein.
Gott aber er besonders bat,
Er wollt' als eine Missethat
Ihm diese Thorheit nicht zumessen,
Daß er gehandelt so vergessen,
Seiner Eltern Liebe nicht bedacht,
Sie und sich in solch Herzeleid gebracht,
Und in so groß' Gefahr sich begeben.
Würd' er daraus bringen sein Leben,
Er wollt' der Allerfrömmste sein,
Ein'n Tempel bau'n und opfern drein.
Damit fuhr das Wasser empor
Und erfüllet ihm jedes Ohr, !
Daß er seinen Kopf schwingt und hängt
Als ein Hund, der die Enten fangt,
Und schrie: „O Zeter Morior,
Das Wasser geht mir bis in's Ohr!"
37
Der Frosch ihn wieder trösten wollt',
Fuhr oben her, gleich wie er sollt',
Es währt aber der Trost nicht lang;
Denn eine erschreckliche Wasserschlang'
Ließ sich da noch bei ihnen sehen,
Ihr Haupt und Hals erhoben stehen,
Ihre Augen wie Feuerflammen leuchten,
Ihre Zung' und Zähn' zum Biß sich richten,
Und wollt' urplötzlich in sie fahren.
Davon sie all' erstarret waren,
Als wenn Blitz und Donner zugleich
Aufleucht't und schlägt auf Einen Streich.
Sobald Bausback sie ansicht,
Wollt' er den Kampf erwarten nicht,
Noch zugesagte Freundschaft halten,
Sie mußt' jetzt in der Roth erkalten;
Sondern that zu Augen und Mund,
Und fuhr mit seinem Volk zu Grund,
Die auch die vier Mäuslein mitnahmen,
So mit Bröseldieb erst ankamen.
Da sollt' man erst groß Elend sehen
Ueber den Bröseldieb ergehen;
Er siel mit seinen Mauselein
Ueberrück zum See hinein,
Streckt' aus die Händ', zerbiß die Zähn',
Daß er nicht konnt' das Ufer sehn.
Oftmals er auch zu Boden ging
Und kam wieder hervor gering,
Spie das Wasser und soff es wieder,
Wenn er auffuhr und hernieder,
Daß ihm der Schaum lag um den Mund
Und die Nase voll Bläslein stund.
Des Tod's konnt' er sich nicht erwehren,
Die nassen Haar' ihn gar beschweren,
38
Händ' und Fuß' wurden lahm und kalt,
Und die weiße Sonne schwarz gestalt't,
Daß er kein Licht konnt' mehr ersehen,
Der Athem wollt' ihm auch entgehen,
Und das Herz in dem Leib ersticken.
Konnt' kaum noch ein wenig aufblicken
Wie ein Licht, das der böse Schwad'
Im finstern Berg umgeben hat,
Daß es kein' freie Luft kann finden,
Endlich mit Zittern muß verschwinden.
Wie ist das Leben lieb, o Gott!
Wie bitter ist der leid'ge Tod!
Jedoch nahm er in solchem Leid
Mit diesen Worten sein'n Abscheid:
„Wohlan, du wirst Gott nicht entlaufen,
Bausback, daß du mich läss'st ersaufen,
Stürzest mich in die große Roth,
Von deinem Leib in schweren Tod.
Sollt'st du mich auf dem Land bestehen,
Es sollt' dir an dein Leben gehen!
Nun hast du mich zu dieser Frist
In's Wasser bracht durch falsche List,
Und meine lieben Eltern beid'
Gesetzt in's äußerst' Herzeleid.
Gott hat ein Aug', das Alles sicht
Und alle Bosheit ernstlich richt't.
Es wird die Straf' dir werden schwer,
Kommt über dich der Mäuse Heer,
Und bringt dich und dein' Leut' in Noth"
Mit diesen Worten war er todt;
Das Leben fuhr im Zorn und Grimm,
Mit ängstlichem Seufzen dahin.
(Ende des ersten Theils.)
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