Ein Volksbuch aus dem sechzehnten Jahrhundert.
Für Volk und Jugend neu bearbeitet
von
Friedrich Seidel
mit
Illustrationen von A Wiedemann.
Langensalza,
Schulbuchhandlung b. Th. L. B.
1861
Seite I
V o r w or t.
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Der Froschmäuseler des Georg Rollenhagen, ein
Volksbuch von echter Klassizität, wie das sinn- und formverwandte
Buch von Reinecke dem Fuchs, verdient nicht minder als dieses
dem deutschen Volke erhalten zu werden. Zwar hat das Gedicht
seiner Zeit eine umfassendere Tendenz gehabt, als es jetzt haben
kann, indem gewisse kirchlich-politische Anspielungen gar nicht
oder nicht allgemein genug mehr treffen; indeß bleibt der übrige
und bei weitem beträchtlichere Theil desselben in seinen allen Zeiten
entsprechenden Zeichnungen des Familien- und Staatslebens immer
noch interessant und lehrreich in hohem Maße. Auch die schlichte,
biedere Sprache des Buchs, die durch etwaige Modernisirung gar
nicht zu ersetzen wäre, die edle Keuschheit in Wort und Bild sind
gewiß Eigenschaften, die ein Dichterwerk wie dieses verewigen
helfen.
In vorliegender Bearbeitung des Froschmäuseler sind die außer
Kurs gekommenen Anspielungen beseitigt ; verschiedene fremdartige
Episoden, welche theils der Odyssee, theils aus Reinecke dem Fuchs
entlehnt waren, ausgeschieden; hier und da veraltete, jetzt ganz
unverständliche Ausdrücke und Wendungen gegen neuere vertauscht,
und ist der zuweilen sehr holperige Versbau durch natürlichere
Seite II
Wortstellung und gebräuchlichere Biegungen möglichst geebnet. Alle
Härten und Dunkelheiten im Ausdruck konnten jedoch, ohne der
Originalität des Werkes Gewalt anzuthun, nicht durchgehends
vermieden werden. Nöthigenfalls sind dann an den betreffenden
Stellen kurze Erklärungen in Parenthese beigefügt.
So wie der Froschmäuseler bisher, liegt noch manch edler
Schatz der ältern klassischen Literatur Deutschlands vergraben, der
nur gehoben zu werden braucht, um zu nützen. —
Die Pädagogik spricht entschieden dafür, daß der Lesestoff für die Jugend aus
unseren Klassikern zu wählen sei, weil eine solche Auswahl für
Jung und Alt zugleich Interesse hat. Einer solchen Auswahl
zählen wir auch den Froschmäuseler von Rollenhagen bei, und
dürfen das Gedicht in feiner nunmehrigen Gestalt mit gutem
Gewissen allen Eltern und Erziehern, wie überhaupt dem deutschen
Volke empfehlen, überzeugt, daß es gar bald der Liebling
Aller, der Großen wie der Kleinen werden wird.
Friedlich Seidel.
1
Der Froschmäuseler
Erster Theil.
Von der ersten Kundschaft des Mäusekönigsohns,
Bröseldieb, mit dem Froschkönige Bausbacken.
Das erste Kapitel.
Von Bröseldiebes, des Mäusekönigsohns Kundschaft
mit dem Froschkönig.
a Aschanes mit seinen Sachsen
Aus dem Harzfelsen ist gewachsen,
War mitten in dem grünen Wald
Ein springend Brünnlein süß und kalt,
Das an dem Falkenstein herfloß,
Sich in ein'n großen See ergoß,
Und da am warmen Sonnenschein
Wässert' viel Baum' und Blümelein,
Viel Frosch' und Fisch', viel Krebs' und Schnecken,
Das Rohr wuchs wie ein Haselstecken,
Als ob's das Schilfmeer selber wär',
Dadurch Moses führt' Gottes Heer;
Daß nicht allein die Nachtigall
Da sang, das klang im Berg und Thal,
Sondern der Rohrsperling und Grasmusch,
Und andre mehr im finstern Busch
2
Ihr Nest und Wohnstatt so besungen
Und die Stimmen gen Himmel klungen,
Daß im Wasser der Wiederhall
Sein' Antwort gab mit Freudenschall.
Daselbst von vielen alten Jahren
Die Frosch' der Herrschaft mächtig waren,
Da Sehbold Bausback wohlbedacht
Hof hielt mit königlicher Pracht.
Wie nun anfing der grüne Mai,
Wollt' der König von Sorgen frei
Mit seines Hofes Dienern all'
Ein Freudenspiel halten einmal,
Und setzt' sich an den Sonnenschein
Besonders hin vor der Gemein'
Auf ein'n Hügel mit grünem Moos
Ueberwachsen schön, weich und los,
Daß die Bachmünzen und Polei
Auch Schatten g'nug machten dabei.
Und ließ vor sich seine Trabanten
Und die seine Herrschaft erkannten,
Sich da üben im Ritterspiel,
Der Kurzweil auch treiben gar viel
Mit Wassertreten, Untersinken,
Mit offnem Maul doch nicht ertrinken,
Eine Mück' in einem Sprung erwischen,
Künstlich ein rothes Würmlein fischen,
Auf gradem Fuße aufrecht gehen,
Und also einen Kampf bestehen;
Einander mit Springen, Singen
Im großen Vortheil überwinnen.
So zogen sie mit Wasserklang
Wie Waldvöglein zum Kampfgesang,
Daß man durch Wasser und Wald dieß Krachen
Ein'n Wunderfreudenschall hört' machen,
3
Wie Junggesellen zur Sommerszeit
An Wasser und Wiesen suchen Freud',
Wie auf den Schulen die Studenten
Baden und tauchen gleich den Enten,
Schwimmen künstlich gleich Gänsen und Schwänen,
Fischen, fahren in Schiffen und Kähnen,
Fechten, schlagen Ball, springen's Kleid,
Wissen von keiner Traurigkeit.
Singen auch ihr' vielstimmige Reigen
In Pfeifen, Zithern, Lauten, Geigen,
Fein kunstreich nach der Musen Art,
Kein fröhlicher Volk je funden ward.
Also thäten die Fröschlein auch,
Hielten ohn' Sorg' ihr Spiel und Brauch.
Indem aber die Wasserkind'
Also im Spiel begriffen sind,
Und die Sonne von oben 'rab
Nunmehr den kürzesten Schatten gab,
Aber die allergrößte Hitze
Stieß aus des Himmels Mittelspitze,
Kam aus dem Wald ein kleiner Mann,
Hatt' ein schön weißes Pelzlein an,
Rothe Korallen um den Hals,
Ein'n Leibgürtel vergüldet als,
Und führt ein Schwänzlein als ein Schwerd,
Trabt keck einher als wie ein Pferd,
Und ging den andern allein für,
Denn es folgten noch andre vier
Mit aschenfarb'nen Pelzelein,
Sollten feine Trabanten sein.
Der eilet durstig zu dem See,
Denn der Sonne Hitz' that ihm weh,
Und sprang zum Wasser ab vom Land,
4
Lehnet sich auf die linke Hand,
Neigt das Haupt, daß sein kleiner Bart
Voll Wassers wie voll Perlen ward,
Weil er ihn ganz in's Wasser steckt,
Und dasselbe so gierig leckt,
Als wenn's Zucker und Honig wär'.
Das Zünglein wand sich hin und her,
Wischet das Näslein und den Mund,
So weit es den erreichen kunnt',
Und schmatzet wie die kleinen Kind',
Wenn sie an der Mutter Brust sind.
„Wie schmeckt das Wasser mir so süß",
Sprach das Mäuslein, „wie ein Milchmus,
Wenn man's mit Durst nur würzen mag,
Wie ich gethan hab' diesen Tag."
Das sah und hört ein Frosch von fern,
Fuhr ab zum König, seinem Herrn;
Der König schickt' Grünrock zu sehen,
Und starker Trabanten achtzehen.
Sie sprangen ab zum See in Eil',
Schossen hinaus gleich wie ein Pfeil;
Bald ward Grünrock der Fünf gewahr,
Sprach: „Diese Reis' ist ohn' Gefahr,
Es sind Mausmännlein, wie ich seh',
Von denen eins weiß ist wie der Schnee!"
Wie nun die Frosch' an's Ufer kamen,
Aus dem Wasser den Auftritt nahmen,
Trat das Herrlein muthig hinan,
Sprach: „Ho, Glück zu, mein lieber Mann !
Ich bin an euren See gekommen,
Hab' ein frisch Trünklein eingenommen;
Kann ich euch für den Wassertrank
Wiederum erzeigen einen Dank,
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So thu' ich das ohn' all' Beschwer'n,
Will euch zu Ehren dienen gern."
Der Grünrock und seine Gefährten
Mäuler und Augen weit aufsperrten,
Er sprach: „Gnad', Herr! Wir sind gekommen,
Weil unser König gern vernommen
Eu'r ehrenfeste Gegenwart,
Begehrt in Gnaden, wollt unbeschwert
Euch nennen und ihr' Majestät
Besuchen, daß sie jetzt der Stätt'
Am Ufer wartet der Ansprach';
Es ist ja eine ehrliche Sach'.
Daß aber auch unser Seetrunk
Wohlgeschmeckt eurem Herzen jung,
Hören wir und gönnen's euch gern,
Fordern dafür auch kein Verehr'n,
Denn wie die Sonn' und Luft ist gemein,
Soll auch der Trank des Wassers sein!"
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Das Männlein sprach: „Ist's wie ihr sagt,
Daß eu'r König mein'n Namen fragt?
Führt mich nur hin zu Land mein' Straß',
Im Wasser weiß ich keinen Paß,
Denn ich bin des Mäusekönigs Sohn,
Hab' daheim mein Szepter und Kron'."
Dem König ward vermeldet schon,
Daß ankäme des Mäuskönigs Sohn,
Darum ging der König herfür
Bis an desselben Ufers Thür,
Daß er ihn ehrlich wollt' empfangen;
Neben- und hinterher kam gegangen
Der Hofediener große Schaar,
Des Gastes all' zu nehmen wahr.
Der junge König, als er gesehen
Den Froschkönig zu ihm hergehen
In seinem grünen Sammetkleid
Mit Gold verbrämt zu jeder Seit',
Und Augen wie der Morgenstern
Schön hervorglänzen in der Fern',
Dazu den buntgefleckten Haufen
Der Frösch', die all' kamen gelaufen, —
Gedacht er: „Ei, es ist Unehr',
Daß ein König verzaget wär',
Du willst hintreten ohne Scheu;
Des Mann's Geg'nwart schreckt wie ein Leu !"
Und braucht dabei höflich Geberd',
Wandt's Angesicht züchtig zur Erd',
Faßt' mit der rechten Hand die Brust,
Und neiget sich, wie er wohl wußt',
Hernach kredenzt er in dem Stand
Dieselbe seine rechte Hand,
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Gab sie dem König, der zuvor
Sein' Hand ihm da anbot, empor.
Der sprach: „Sei willkomm'n, lieber Gast!
Setz' dich daher zu mir in Rast,
Und ruh' wohl aus die Mattigkeit:
Dein' Reis' ist olme Zweifel weit,
Denn ich dich zuvor nie gekannt."
Damit nabm er ihn bei der Hand
Und setzt' sich neben ihn in's Gras,
Da das weiche Moospolster was (war).
Das Männlein sich in Ehren wehrt,
Setzt' sich endlich doch auf die Erd';
Die Diener warten auf von fern,
Wollten ihre Wort' anhören gern;
Wie auch die Fröschlein allesammen
Mit großem Drang heraner kamen,
Daß vor Getümmel an dem Ort'
Niemand höret sein eigen Wort.
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Der König aber gab ein Zeichen,
Daß sie Plötzlich all' mußten weichen,
Und Jedermann zur Seit' abgehen;
Nur vier Trabanten blieben stehen.
Das zweite Kapitel.
Bröseldieb rühmt sein Geschlecht und seine Weisheit.
Als das Männlein von Bausback hört
Gar viel freundliche Ehrenwort',
Wuchs ihm das Herz im Leib so groß,
Daß auch der Bauch weiter auffloß,
Antwortet mit kurzem Bedacht
Dem König auch in großer Pracht :
„Herr Bröseldieb nennt man mich schon,
Bin König Parteckfresser's Sohn;
Meine Frau Mutter Leckmüll kam
Von König Schinkenklauber's Stamm,
Die mich in unserm Schloß gebar,
Welch's gar ein heimlich Mausloch war,
Und erzog mich mit guter Speis,
Feigen und Nüßlein, bester Weis,
Daß ich über der Mäuse Heer
Nach meinem Vater Erbe wär'.
Daran ist auch gar nichts gelogen;
Das Ansehn hat mich nicht betrogen,
Daß ich vom Glück auch müßte haben
Besonders stattliche Heldengaben.
Denn ich hab' einen Prophetengeist,
Denselben brauch' ich allermeist,
Wenn ein altes Haus will einfallen,
Wandre mit meinen Freunden allen;
Oder wenn Gott ein Haus strafen will,
Mach' ich mich hinaus in der Still'.
9
Wenn auch ein Krieg soll angehen,
Und dann Gewehr' in Kirchen stehen,
Die beiß' ich durchs Metall entzwei,
Daß ich die Menschen warn' dabei.
Darum bin ich so weis und klug;
Ein Löchlein ist mir nicht genug;
Ich muß stets eins in Vorrath haben,
Wenn ja das andre würd' vergraben. Denn das ist eine arme Maus,
Die nur weiß zu ein'm Loch hinaus."
Das dritte Kapitel.
Bröseldieb rühmet seine Mannheit, Stärke und Ansehen.
onst bin ich zwar klein von Person
Und meiner Eltern gleicher Sohn,
Aber das Herz ist groß und gut,
Dabei ein unverzagter Muth.
Was sollt' der Maulwurf wider mich
Oder Eidechs versuchen sich?
Ich halt' eine Schlange bei der Kehle,
Bis ich sie alle todt hinquäle.
Ja ein ganzes Fähnlein Heuschrecken
Wollt' ich mit einem Sprung erschrecken,
Und ein halb Tausend Grillen jagen,
Mit Füßen treten und zerschlagen,
Wie ich noch hab' erwiesen heut' :
Denn wie ich ausziehe nach Beut',
Und einen Kirschbaum hatt' erstiegen,
Fing an ein Zweiglein sich zu biegen.
Da flohen rottenweis' davon
Der Heuschrecken ein Bataillon,
Und auch der Käfer manche Art,
Wie sie spürten mein' Gegenwart.
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Denen bin ich so nachgeeilt,
Daß meine Diener mich verfehlt,
Und ich mit den Vieren bin gekommen,
Allein zu trinken aus dem Bronnen.
Dieweil aber der Herr der Welt
Sein Regiment also bestellt,
Daß kein Thier lebet überall,
Es hat seinen Feind und Unfall:
Ia das veracht'te Gräselein
Hat seinen Feind am Schäfelein,
Das Schaf den Wolf, der Wolf den Hund,
Der Hund des Baren Klau'n und Mund,
Der Bär den großmüthigen Leuen,
Und der Low' muß das Mannthier scheuen.
Das Mannthier eins das andre mord't,
Was man von keinem Thier sonst hört;
Denn dieß das allerbösest' ist,
Beides mit Stärke und mit List: —
Damit Niemand auf dieser Erde
Zu sehr stolzier' und sicher werde,
So hab' auch ich sammt mein'm Geschlecht,
Die uns zwingen mit dem Faustrecht.
Doch ihr'r nur drei in der Welt sind,
Die ich vor Allem flieh' geschwind;
Der Falke und die leid'ge Katz'
Thun mir beide großen Aufsatz,
Die Fall' auch mit ihrem Nothstall
Bringt manch' ein Mäuselein in Unfall,
Von welchen wär' zu lang zu sagen
Und hier am Freudentag zu klagen.
Euer Lieb halt' mir das zu gut,
Was sonst die Jugend alle thut,
Braucht unbedachte Weitläuftigkeit,
Sonst ist wahrhaftig der Bescheid!"
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Das vierte Kapitel.
Bausback lobet, baß Bröseldieb sein Mäusgeschlecht
ehrlich hält.
Der König hatt' den kleinen Mann
Vorlängest viel gesehen an,
Wundert' sich der Großmüthigkeit,
Der höflichen Bescheidenheit,
Und sprach: „Ich bin wahrlich erfreut,
Daß wir allhie zu guter Zeit
Zum Gespräch sind kommen beisammen,
Hör' gern dein'n und dein's Geschlechts Namen,
Und dein ganz unerschrocken Herz.
Ich bin dir hold ohn' allen Scherz,
Und acht' dich deiner Freundschaft werth,
Mehr denn Jemand sonst lebt auf Erd'.
Insonderheit mir wohlgefällt,
Daß du kein'n andern Stand gewählt,
Sondern deinen achtest am besten,
Ob er gleich auch hat sein Gebresten (Gebrechen).
Denn dich ist eine seltne Tugend
Und vornehmlich bei der Jugend,
Also daß auch die Menschenkind'
Mit sich selber nicht friedlich sind. Der ist ein weiser glücklicher Mann,
Der sich in sein'n Stand schicken kann;
Wer das nicht kann, der ist elend,
Und bleibt ein Narr bis an sein End'."
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Das fünfte Kapitel.
Bröseldieb sagt, wie Feldmaus zur Stadtmaus sei zu
Gast gekommen.
Bröseldieb erzählt mit Zucht,
Wie die Mäus' sich haben besucht.
Wie Gutkäschen, die Stadtmaus,
Zur Lust einmal spazieret aus,
Allhie an's Wasser gegangen kam,
Das die Feldmaus Warnfried vernahm;
Ging er mit Freuden unterwegen
Zur Ehrerbietung ihm entgegen,
Hieß ihn freundlich willkommen sein,
Bat, wollt' doch kehren zu ihm ein.
Gutkaschen die Freundschaft annahm,
Ging mit ihm zu der Eichen Stamm,
Da Warnfried in der Wurzel hatt'
Durch ein Löchlein seine Lagerstatt.
Bald kam Warnfriedens Weib gegangen,
Den fremden Gast wohl zu empfangen,
Und ihre lieben Kinderlein
Reichten ihm das Patschhändlein,
Nöthigten ihn zum Niedersitzen.
Gutkäs fürcht't fein'n Pelz zu beschmitzen,
Sah wohl um sich nach reiner Stätt',
Ob man nicht da Stuhlpolster hätt',
Wie er in der Stadt war gewöhnt.
Der Hausfrauen das sehr verhöhnt;
Sie legt ein Bündlein Widerthan,
Das glänzet wie ein rother Mahn (Mohn),
War aus dem Moos rein ausgeklaubt.
Diesem der Gutkäs noch vertraut,
Und nach vielem Besehn zuletzt
Sich darauf zärtlich niedersetzt.
13
Der Sohn auf der Mutter Geheiß
Lief in die Nachbarschaft mit Fleiß
Zu seinem Schwager Fürchteschnee,
Der seine Schwester hat zur Eh',
Zu verkünden den neuen Gast.
Der wollt' auch kommen gleich mit Hast;
Der säumt sich auch nicht um ein Haar,
Befahl der Frau die Sachen gar,
Und kam dem Gast zu Ehren an,
Erzeigt sich als ein will'ger Mann,
Setzt selber herzu Stühl' und Bänke,
Riß dabei viel Possen und Schwänke,
Den Gast damit fröhlich zu machen,
Etwa zu gewinnen ein Lachen.
Warnfried trug vor ein Tischlein glatt,
Gemacht von einem Schulterblatt
Der todten Katze, weiß polirt,
Mit Krausemünz' er's rieb und schmiert',
Damit es fröhlich zuröch' dem Gast.
Die Frau Sparkrämlein eilet fast,
Legt auf ein Tischtuch ganz spannneue,
Gewirkt aus mattem Flachs im Heue.
Die Kinder brachten Teller und Brod,
Von harten Käsen etliche Schrot,
Reis, Erbsen, Bohnen, Weizenähren,
Für den Mund erspart zu Ehren.
Sie wuschen die Hände, hielten's Gebet,
Welch's denn der Hausherr selber thät,
Und ließ die Kinder sprechen nach;
Jeder setzt sich wieder gemach.
Der Wirth legt dem Gast fröhlich für,
Sprach : „Ihr wollt frisch zugreifen nur,
Hausmannskost euch lassen wohl schmecken;
Wir wollen Honig auch zulecken.
14
Bot ihm dazu eine Nußschal',
Darin der Honig überqual (quoll).
Der Stadtjunker den Honig leckt,
Die Speis' ihm aber gar nicht schmeckt.
Er fragt auch, ob er nicht vom Käs'
Zur Lust ein kleines Bißchen äß' ?
Der Gast antwort't: „Ich ess ihn wohl,
Doch wenn ich will, nicht wenn ich soll;
Umsonst ich nicht Gutkäschen heiße,
Die besten ich am liebsten beiße."
Da holt der Wirth noch Andres mehr,
Hafer- und Gerstenkörnlein her,
Linsenschrötlein, frischen Hanfsamen,
Des Vorrath's mancherlei ohn' Namen.
Zu schaffen hatt' das ganze Haus,
Als gäb' es einen Hochzeitschmaus.
Erst warten auf zwei schöne Jungfrauen,
Ob etwas mangelt aufzuschauen,
Ging'n zu der Küche aus und ein,
Es wollt' von ihnen sich setzen kein',
Bis der Ält'ste Sohn Meuselman
Von seiner Jagd zu Hause kam,
Bracht' ein Sacklein voll Haselnüsse.
Der wusch erstlich sein' Händ' und Füße,
15
Hieß die Jungfrauen, zum Wohlstand
Dem Gast an seiner linken Hand
Zur Mutter an die Seite gehen;
Er blieb zum Dienst vor'm Tische stehen
Mit seinem Bruder Wettelauf,
Der alles half mit tragen auf.
Vor Allen aber spart sich nicht
Des Wirthes freudig Angesicht,
Und der Hausmutter guter Wille,
Die Alles darreicht mildig stille,
Und sprach gar freundlich zu dem Gast:
„Mein Junker, bitt' euch, gefallen laßt
Unsre Armuth, so gut wir es haben,
Wollt' euch mit den Hanfkörnlein laben,
Sie räumen gar wohl um die Brust!" —
Der Junker hatt' dazu kein' Lust.
Der Eidam zeiget sich mannhaft
Bracht' einen Trunk von Birkensaft;
Denn wenn anfing der grüne Mai,
Biss'n sie die Birkenrind' entzwei
Unten am Stamm eine tiefe Wund',
Daraus der Saft entspringen kunnt,
Lief in große welsche Nüsse;
Der war nachmals gefund und süße.
Noch trug man her zum dritten Mal
Vielerlei Nüßlein in der Schal',
Von Haseln, Buchen, Eichenbäumen,
Kastanien, Kerne von Pflaumen,
Die schälten die Kinder schön rein,
Zerlegten sie dem Gast fein klein.
Der hat ein'n Ekel vor dem Allen,
Was ihm geschah zum Wohlgefallen.
Wie nun da stand das Geringste und Beste,
Nichts übrig war im ganzen Neste,
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Sprach der Wirth: „Allerliebster Freund,
Wenn ich etwas vermocht' und könnt',
Das besser wär', ich gönnt's euch gern;
Ihr seht, wir sind keine großen Herrn,
Darum wollt ihr nehmen vorlieb ! -----
Der Wort' er sehr viel davon trieb.
Der Gast antwort't endlich gar prächtig:
„Unser Aller Gott ist allmächtig,
Der Alles kann, was er nur will.
Sonst, mein' ich, sind der Mäus nicht viel,
Die solche Pracht und Herrlichkeit
Der Nahrung haben diese Zeit,
Als ich in meiner Residenz
Genieß' aus goldenem Kredenz (Geschirr).
Und wenn ihr das selbst wollt anschauen
Mit euren Kindern und der Frauen,
So zieht mit mir die Stadt hinein.
Da woll'n wir erst recht fröhlich sein,
Essen und Trinken hervorlangen;
Da soll etwas anderes herprangen,
Denn diese arme Bettelei;
Und ihr meint, daß nichts Bess'res sei !
Hat's in der Stadt nicht bess're Gestalt
Bei Menschen, denn bei Thieren im Wald?"
Warnfried sprach: „Ich bin wohl vergnüget,
Was mir der liebe Gott zufüget;
Jedoch wenn ich ein' Bess'rung wüßt',
Kriegt' ich zu wandern noch Gelüst.
Was du jetzt hast, halt' stets für gut,
Und streb' nach dem, das besser thut.
Das Best' man billig wählen soll,
Das Böse kommt von selber wohl,
Sagen die Weisen insgemein.
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Ich will mit dir ziehen hinein,
Die Gelegenheit selbst beschauen,
So weiß ich, wem ich soll vertrauen.
Das sechste Kapitel.
Die Feldmaus gehet in die Stadt zu Gaste.
Es war die Zeit um Mitternacht,
Daß keins von den Mannthieren wacht,
Es schwiegen auch die Vögelein,
Die in dem Wald und Wasser sein,
Und alle Thier' im ganzen Land.
Der volle Mond am Himmel stand,
Ging in der Still' sammt seinen Sternen,
Daß man nichts hört von nah noch fernen.
Da wanderten die Mauslein beid'
An die Stadtmauer nach der Seit',
Da das Thor war geschlossen fest,
Und krochen unten durch zuletzt.
Die Wächter ihrer nicht vernahmen,
Zum Haus sie auch noch zeitig kamen,
18
Darin Gutkäschen war daheim,
Schlüpften allbeid' zum Fenster ein.
Der Hausherr aber hatt' den Tag,
Wie er auch sonst gemeinlich pflag (pflegte),
Mit großen Herren bankettirt,
Gefressen, gesoffen, jubilirt;
Und war auf dem Tisch ausgebreit't
Ein rother Sammet wohlbereit't,
Darauf im Silber standen rein
Mancherlei Eierküchelein,
Rosinen, Zucker, Mandelkern',
Zybeben, hergebracht von fern,
Lebkuchen, Aepfel, Birn' und Nüss',
Kastanien gebraten süß;
Und dabei war ein Becherlein
Mit dem allerlieblichsten Wein,
Muskatell, Bastard, Mekanien,
Von Würz' gemacht, viel ungenannten,
Was Alles denn war übrig blieben,
Nachdem sie hat der Trunk vertrieben. —
Zudem sie sprangen auf die Bank,
Auf gewirkte Polster kurz und lang;
Warnfried hüpft' auf die Sammetdeck',
Wundert sich der köstlichen Schleck (Schleckerei),
Nahm Zuckermandeln und Zybeben.
„Dieß", sprach er, „ist ein englisch Leben.
Wie lieblich schmeckt der edle Wein,
Im Himmel kann's nicht besser sein!"
„Ja freilich", sprach Gutkäs mit Pracht,
„Darum hab' ich oftmals gedacht,
Ihr Bauersleut' geht in Aberwitz,
Daß ihr liebet den Ackersitz,
Und solltet in der Stadt mit Ehren
In Wollust leben, wie wir Herren!" ----
19
Indeß erwacht der Kaufmannn wieder,
Der sich unlängst geleget nieder,
Denn derselbe war der Hausherr.
Der große Trunk ward ihm zu schwer,
Ueber Herz und Haupt er Jammer klagt,
Rief seiner Frau und Knecht und Magd.
Da sie nun so ein Lärmen machten,
Und alle Thür'n im Hause krachten,
Da riefen beide Katz' und Hund.
Der Bissen erstarb in dem Mund
Unsern Mäuslein, den lieben Gästen,
Wurden verstöret in dem Besten.
Die Stadtmaus sprang zu ihrem Loch,
Die Feldmaus hin und wieder kroch,
Wußt' nicht, was sie doch nehm' zur Hand;
Sie war ganz und gar unbekannt.
Endlich wie über alles Hoffen
Wied'rum ein Stillstand war getroffen,
20
Daß man überall Niemand hört,
Kroch Gutkäs hervor aus seinem Ort,
Rief seinen Gast mit leiser Stimm',
Daß er wieder käm' zu ihm,
Die angefangne Freud' zu vollenden.
Warnfried fragt mit zitternden Händen,
Ob sich's auch mehrmal so begäb',
Daß dieser Lärmen sich erheb' ?
Gutkäs antwortet: „Das acht' ich nicht,
Weil es fast täglich hier geschicht.
Davor mußt dir nicht grauen lassen,
Dagegen desto besser prassen.
Hofsuppen sind lieblich zu lecken,
Werden aber gewürzt mit Schrecken!"
Warnfried antwort't: „Ist's täglich so,
So bin ich des Prassens nicht froh,
Da ist mehr Gall' denn Honig bei,
Dessen bin ich daheime frei.
Gott ehr' mir mein arm Käs' und Brod,
Das bringt mir kein Schrecken zum Tod,
Lässet mich mit gutem Gewissen
Friedlich meine Arbeit genießen.
Ade, mein Freund, zu guter Nacht,
Ich muß anheim, eh' man erwacht!"
Also kam Warnfried voller Sorgen
Wieder zu Haus am frühen Morgen.
Dieß hab' ich euch nur darum erzählt,
Weil euch die Weise wohlgefällt,
Daß Jeder bleib in seinem Stande,
Er sei in Städt'n oder auf dem Lande.
So müss'n wir Mäus' es Gott befehlen,
Daß der Feinde List und Macht uns quälen.
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Das siebente Kapitel.
Von der Frösche Feinden.
Bausback sagt: „Ich hab' deine Wort'
Mit sondrer Wollust angehört,
Und soll euch Mäusen nicht gereuen,
Daß ihr wollt still sein und Gott trauen;
Denn die Feinde, davon du sagst,
Ueber Falk', Katz' und Wiesel klagst,
Sind uns're Feind', beid' insgemein,
Verschonen unser durchaus kein'n.
Denn Murners Bruder, Heinz, der Kater,
Reinfuchs, Reinhards Vater und Großvater,
Braunrock, der Wiesel, Falk' und Mard,
Alles was ist derselben Art,
Fressen uns Frosch' in Hungersnoth,
Haben ihrer viel gebissen todt.
Greifzu, der Weihe, holt uns oft
Vom Ufer weg gar unverhofft.
Man sagt auch viel von den Nachteulen,
Nichts Gut's bedeut' ihr schrecklich Heulen,
Das wir schon viel erfahren haben,
Viel' sind mit dem Trauerlied begraben;
Sonderlich fuhrt der große Uhu
Uns häufig seinen Kindern zu.
Daneben sind im Wasser mehr,
Die uns Fröschen zusetzen schwer,
Schnabber, der Hecht, Kriimmling, die Schlang',
Enten, Schwäne, der Netzefang.
Doch unter allen geht weit voran
Barthold Leisetritt, der Tyrann. (Storch.)
Das hat uns Gott gesetzt zur Plage,
Das bringt uns großes Leid und Klage;
Und zwar wir haben's wohl verschuld't,
22
Müssen mit Schaden hab'n Geduld.
Dieweil ich aber diesen Tag
Keine Reichssachen hören mag,
Sondern die Stunden, so übrig sind,
Ehe des Tages Licht verschwind' !
Und sich die Sonn' über den Wald
Verkreucht und die Nacht hereinfallt, —
Mit Freundsgespräch von fremden Dingen
Gern' allhier wollt' ruhig zubringen,
So geschähe mir besond're Lust,
Wenn du, wie dir denn wohl bewußt,
Noch ferner von dein'n Feinden wollt'st sagen,
Und wie sich eure Krieg' zutragen.
Das will ich dir hinwiederthun,
Und dann mit dir, als meinem Sohn,
Heim ziehen in mein Schloß, das feste,
Dir erzeigen das Liebst' und Beste;
Auf den Abschied hernach beschenken :
Dein Leblang sollst du mein gedenken."
Das achte Kapitel.
Bröseldieb klaget über Mäusefallen
Darauf antwortet Bröseldieb :
„Was von mir fordert Euer Lieb',
Thue ich Alles ohn' Beschwern,
Will nach der Läng' erzählen gern,
Und dem König frei offenbaren,
Was ich von den Dingen erfahren,
Oder von meinen Eltern gehört,
Und glaub' auch billig ihrem Wort.
Ich muß aber vor andern Allen
Den Anfang machen mit den Fallen,
Welche täglich auf neue Weif'
23
Gemacht werden mit großem Fleiß
Von den rachgierigen Mannthieren,
Die aufs Gräulichste tyrannisiren.
Da steht ein schönes Häuselein,
Mit Thür'n und Fenstern gezieret fein,
Als wär's des Priesters Losament (Wohnung).
Der Speckbraten am Balken hängt;
Sobald man aber hinein will gehen,
Sich nur ein wenig da umzusehen,
Schmecken, ob dem Koch auch der Braten
Ganz allerdings sei wohlgerathen,
Daß er kein'n Mangel hab' an Schmalz,
Oder etwa zu wenig Salz;
Ob Alles gar sei, oder roh:
Da wird man der Kurzweil nicht froh;
Da platzen zu Fenster und Thür',
Des Mannthiers Kinder springen herfür,
Rufen: „Wir haben den Feind gefangen,
Wollen wir ihn fengen, oder hangen?"
24
Ach Gott, wir sind gefangen arm,
Da ist Niemand, der sich erbarm' !
Desgleichen macht der Mensch ein' Brück',
Und hängt jenseits von Speis' ein Stück.
Wenn man vermeint, ganz fest zu stehen,
Und will zur Speis' hinüber gehen,
So sinkt die Brück' verrätherlich,
Stürzet das Mäuslein unter sich
In's Wasser, oder Narrenkasten,
Muß den Braten sehr theuer ausfasten.
Ueberdas nimmt der Mensch ein Bret,
Oder ein'n breiten Stein zur Stätt',
Stellt den auf mit ein'm Kreuzelein,
Als wär' es ein schön Netkläuselein.
Wenn dann die Maus nach dem Gebet
Dem gekreuzigten Speck zugeht,
Ergreift in Andacht den Querstecken,
Will mit ein'm Kuß die Wunden lecken,
So schlagen Kreuz und Klaus' hernieder:
Niemand kam von dem Gebet se wieder.
Wenn dadurch gewitzigt die Maus
Nicht mehr 'nein will in das Mordhaus,
So setzt man ein schön Zuckermehl,
Das einem schmeckt durch Leib und Seel';
Oder ein'n feisten Sachsenspeck,
Und was sonst ist der Mäuse Schleck,
Bis man's gewohnt, so mengt man drein
Ein röthlich, tödtlich Pülverlein,
Und setzt zu trinken g'nug dabei,
Daß man desto fröhlicher sei.
Der Teufel dank' ihm der Wohlthat,
Die nichts denn Gift in Töpfen hat!"
25
Das neunte Kapitel.
Bröseldieb sagt, wer Murner sei.
„Murnern, der Katzianen Patron,
Lehrt' mich kennen mein' Mutter fromm.
Ich bat, wie ich noch war ein Kind,
Wie die Kinder vorwitzig sind,
Sie wollt's lassen einmal geschehen,
Mich auch lassen die Welt besehen,
Dieweil ein heimgezogen Kind
Unverständig blieb, wie ein Rind;
Wie sie denn oftmals diese Wort'
Vom Herrn Vater selbst hätt' gehört.
Sie wehret ab mit Hand und Mund,
Predigt mir viel von Katz' und Hund,
Wie die uns wären so gefähr (-lich).
Ich bat und gilfert' immer mehr,
Bis sie zuletzt williget drein,
Daß ich ein' Stund' möcht' von ihr sein;
Warnet, doch mich mit ganzem Fleiß,
Und saget von des Murners Weis',
Daß er versteckt im Winkel säß',
Und die Mäuslein ohne Brod 'neinfräß',
Das wär' seine allerliebste Speis'.
Den sollt' ich meiden ja mit Fleiß.
Ich schlich unter der Wand herfür
Nach unsers Schlosses Vorderthür,
Die in des Mannthiers Haus hinging,
Davon es Wärm' und Rauch empfing.
Und guckt' heimlich zuerst heraus,
Wie eine unbewanderte Maus,
Ob auch hier wär' sicher Geleit',
26
Oder ob der Murner saß' zur Seit'.
Da saß im Haus im Sonnenschein
Ein schönes weißes Jungfräulein ;
Sein' Aeuglein glänzten hell und klar,
Es leckt' und schlichtete sein Haar,
Küsset die Händ' und wusch sich rein
Ueber die zarten Wängelein.
Das Herz im Leib' verlangte mir,
Daß ich doch treten möcht' herfür,
Dasselb' mit adeligen Sitten
Um seine Lieb' und Freundschaft bitten,
Küssen ihre schneeweißen Hände:
So hätt' all' meine Sorg' ein Ende.
Es trat aber am Platz' herum,
Im Haus die Läng' und in die Krümm'
Ein erschreckliches Wunderthier,
Davor die Haut erschüttert' mir.
Vom Haupt zum Fuß ganz die Gestalt,
Wie man ein'n Basilisken malt.
Ich dacht', ob das der Murner wär',
Der uns Mäusen ist so gefähr?
27
Bornen am Kopf war er geschlacht,
Nie man die bösen Geister macht,
Mit einem krummen, spitzen Schnabel,
Hat Fuß' getheilt wie ein' Mistgabel,
Und ein'n zweispitz getheilten Bart
Nach des Mannthiers gräulicher Art;
Und auf dem Haupt ein' glühend' Kron',
Mit viel Thürmen erhoben schön.
Aus dem Leib' gingen beisammen
Ein großer Hauf' gelber Feuerflammen,
Gekrümmt unter und über sich,
Ueberaus häßlich und schrecklich.
Damit pranget er über die Erd',
Trat einher wie ein reisig Pferd.
Von seinen Trabanten wohl zehen
Sah ich all'zeit hinter ihm gehen,
Doch nicht so stattlich ausgemacht;
Der König trug allein die Pracht.
Wie ich nun blieb im Löchlein stecken,
Dem Abenteuer zusah mit Schrecken,
Fängt er an, den Boden zu schnäbeln,
Scharret mit den zwei Mistgabeln
Und ruft: „Guck, guck, kurith, merk' auf!"
Da erhob sich ein großer Zulauf:
Die Trabanten waren gar schnell,
Zu hören des Königs Befehl,
Reckten auf die Köpf' zu der Stätt',
Zu sehn, was er geschrieen hätt';
Bis der König mit großem Prassen
Sprang auf die Hausthür nach der Gassen,
Und schlug die Arm' auf beide Seit',
Sperret den Rachen auf gar weit
Und rief, man hat es weit gehört,
Diese ganz erschrecklichen Wort' :
28
„Rück', rück' ihn heraus beim Kragen!"
Als hätte mich der Donner geschlagen,
So stürzt' ich zu dem Loch hinein,
Lief zu meinem Frau Mütterlein.
Die erschrak und fragt, was mir wär',
Daß ich fast hätt' kein'n Athem mehr,
Und also sehr fing an zu beben?
Wollt' mir Arznei für'n Schrecken geben.
Ich sprach: „O Mutter! Der Murner
Hat mich erschrecket also sehr,
Daß ich schier nimmer Athem hol'.
Wie habt ihr mich gewarnet wohl!"
„Was that er denn?" die Mutter sprach.
Ich sagt': „Im Haus ich sitzen sah
Ein zartes schönes Jungfräulein,
Im weißen Pelzchen artig fein,
Das schmückt' sich mit geleckter Hand.
Ich hätt' mich gern zu ihm gewandt
Und um ein'n Kuß freundlich gebeten:
Da kommt der Murner hergetreten
Mit Gabelfüßen, mit der Kron',
Mit brennendem Schwänze angethan,
Schrie, sie sollten mich fassen an;
Und sie hätten's wahrlich gethan,
Wenn ich nicht bald entlaufen war'.
Davon bin ich erschreckt gar sehr."
Da sagt' die Mutter: „Liebes Kind,
Die schrecklich anzusehen sind,
Die thun uns Mäusen nichts zu leid;
Die aber sind voll Freundlichkeit,
So leis und lieblich einherschleichen,
Die Händlein küssen, Willkomm reichen:
Die sind giftiger Kreatur,
29
Teufel unter Engelsfigur.
Dieß sind die gefährlichen Katzen,
Die vorne lecken, hinten kratzen.
Der dich anlacht, der reißt dich hin;
Das ist dieser Welt Weise und Sinn.
Das Jungfräulein, das so schön war,
Bringt uns Mäusen gar große Gefahr,
Füttert seinen Pelz mit unserm Blut.
Gott sei Dank, daß er dich behüt't."
Das zehnte Kapitel.
Beschreibung des Hauspropheten.
„Der König mit der Purpurkron'
Und rothem Bart, mein lieber Sohn,
Ist unsers Wirthes Hausprophet,
Der anzeigt, wie das Wetter steht,
30
Und wie die Nachtwach' sei gethan,
Wie am Zeiger die Stundet gahn (zehn);
Und ist ein Mann von Redlichkeit,
Der keinem Mäuslein thut ein Leid;
Uebervortheilt Niemanden mit List,
Handelt aufrichtig zu jeder Frist,
Daß er lieber den Teufel sehe,
Als daß er mit Jemand umgehe,
Der anders red't mit seinem Mund,
Denn er meinet im Herzensgrund.
Darum du seine Wort' nicht all'
Ganz recht verstehest dieses Mal.
Er hat damit dieß wollen sagen:
Die Glock' hat abermal geschlagen!
Die aber um und bei ihm sein,
Sind alle sein' Hausmütterlein,
Deren er nimmt so viel zu Ehren,
Als er sich getraut zu ernähren,
Wie eh'mals König Salomo
Im Ehestand gethan auch so.
Die lehrt er fromm und häuslich Wesen,
Die Körnlein von der Erde lesen,
Und in's Nest legen weiße Eier,
Davon man Küchlein bäckt, wie Schleier.
Zu Denen magst du wohl hingehen
Und nach deiner Nothdurft zusehen;
Sie gönnen dir gern deinen Theil:
Ihr' Wohlfahrt ist auch unser Heil.
Murner ist aber beiden feind,
Mit keinem Thier er's treulich meint;
Hat auch oft ihre Kinder genommen,
Wo er sie vermocht' zu bekommen;
Ja, er ist so voll böser List,
Daß er die Eltern selber frißt."
31
Dieß war unter andern» mehr
Meiner lieben Mutter Lehr'."
Also beschloß Herr Bröseldieb
Und sprach: „Das ist's, was Euer Lieb'
Wissen wollten von unsern Sachen.
Kürzer hab' ich's nicht können machen,
Und hoff', es sei mir ohn' Gefähr:
Eu'r Lieb' fei mein gnädiger Herr!"
Das elfte Kapitel.
Bausback berichtet über das Froschregiment.
Sehbold Bausback fing darauf an
Zu beiichten dem kleinen Mann:
„Dieweil du mir von deinem Stand
Alles so rund und recht bekannt,
Will ich dir nun von meinem Reich
Auch etwas vertrauen sogleich. —
Wir Frosch' vor etlich tausend Jahren
Keinem König unterworfen waren,
Lebten gar frei nach unserm Willen;
War aber ein Hader zu stillen,
So schlugen sich die Väter drein,
Handelten zum Frieden insgemein.
Die Jungen auch den ält'sten Herr'n
Gehorsam waren willig und gern.
Allesammt aber hielten wir werth
Und ehrten ohne alle Beschwerd'
Unsere Priester und Propheten,
Die uns lehrten, wie man soll beten,
Gott heilig ehren, redlich werben,
Ehrbarlich leben, selig sterben.
32
Nichts bleibt beständig in der Welt;
Was man einst baute, jetzt zerfällt.
So ging es auch unserm Regiment,
Es lief endlich zu bösem End';
Es kamen nach der Länge der Zeit
Gottlose, muthwillige Leut',
Die Eltern und Priester veracht'ten,
Alles nach ihrem Willen machten,
Ermord'ten Jeden mit Gewalt,
Der ihn'n nicht wollt' gehorchen bald.
Es kamen auch hernach gegangen,
Diesen zur Straf', die Wasserschlangen
Mit großen Haufen in den Teich,
Die sie und uns fraßen zugleich.
So kamen wir all' in Gefahr,
Und ward an uns das Sprüchlein wahr:
Um eines bösen Buben Schand'
Wird oft gestraft ein ganzes Land.
Darauf, ich sag's in wenig Worten,
Ist der Storch unser König worden.
Deß Regiment war grausam schlecht,
Der fraß uns ohne Fug und Recht.
Bis endlich ein gar tapfrer Held
Zu unserm König wurd' erwählt,
33
Der hieß Marx Kedarlaomar.
Derselbe nun mein Ahnherr war,
Deß bin ich sein's Sohns Kindeskind,
Wie man in der Stammtafel find't."
Das zwölfte Kapitel.
Der Froschkönig bittet den Mäusekönig zu Gaste.
„Also hab ich dir nun gesagt,
Alles, was du mich hast gefragt.
Damit du aber in der That
Anschauest meine Majestät,
Auch wie die Historien all'
Gemalet sind in meinem Saal',
Und was sonst noch ist geschehen,
Gar wunderbar anzusehen:
So fahr' mit mir an meinen Thron.
Du sollst sein, wie mein lieber Sohn;
Ich will dich begaben und ehren,
Als wohl geziemt solch einem Herren.
Damit du auch habest kein' Gefahr,
Will ich dich selber führen dar (dahin),
Und ganz frei sicherlich geleiten:
Auf meinem Rücken sollst du reiten!"
Bröseldieb sprach: „Ich bin erfreut,
Daß ich erlebt hab' diese Zeit,
Daß die glückliche Stund' ist kommen,
In der Eu'r Lieb' mich angenommen
In solch' Ihr' herrliche Kundschaft,
Ja in Ihr' großmüthige Freundschaft!
Ihr Wort hat mir so süß geschmeckt,
Als wenn man den Milchrahm ableckt,
Als wenn man Rosinbeerlein beißt,
34
Daß ein'm der Wein den Bart abfleußt,
Als wenn man aus dem Wachshäuslein
Aussaugt den neuen Honigseim.
Daß Eu'r Lieb' aber sich hören läßt,
Sie wollen mich in Ihre Fest'
Persönlich durch den See selbst führen,
Will sich keineswegs gebühren;
Denn ich bin 's Wasser ungewohnt
Und bleib' damit gar gern verschont.
Darum denk' ich, wird Niemand rathen,
Daß ich mit G'fahr such' fremde Braten,
Oder daß ich mein junges Leben
Um der ganzen Welt Schatz sollt' geben !"
So lehnet er's ab gar bescheiden.
Das Böse ahnt uns stets bei Zeiten.
Das dreizehnte Kapitel.
Von Bröseldiebs kläglichem Abscheiden.
Bausback antwort't: „Du hast gesagt,
Du wär'st beherzt und unverzagt;
Nun merk' ich, es mangelt dir an Muth,
Das ist an einem Konig nicht gut:
Trau' nur und setz' dich auf den Rücken,
Sei unbesorgt, es wird nicht drücken;
Ich bring' dich heim ohn' all' Gefahr,
Netz' dir auch nicht ein einzig Haar;
Willst du aber nicht, so mag es sein,
Wo kein Herz ist, das kommt nichts ein!"
Bröseldieb thaten weh die Wort',
Und sprach: „Wohlan, fahr' immer fort,
Am Herzen muß kein Mangel sein;
Der Muth ist groß, der Mann ist klein;
35
Wenn Eure Diener meine Mann'
Nur auch zugleich mit nehmen hinan." —
„Warum das nicht? Ihr vier Trabanten,
Nehmet sie mit als Freundverwandten!"
Sprach der König und thät sich bücken,
Bröseldieb sprang ihm auf den Rücken,
Schlang um den Hals ihm seine Händ',
Setzt' jeden Fuß auf eine Lend',
Und sprach: „Ei nun, das walt' Gott, Amen!"
Gar bald sie in das Wasser kamen;
Bröseldieb sah mit Freuden an,
Wie umher fuhren so viele Mann,
Insonderheit nah' bei dem Land,
Dahin er stets die Augen wandt'.
Es war ihm auch selbst solche Lust,
Davon er zuvor nie gewußt:
So lieblich süß, so sanft und fein,
Als wollt' er davon schlafen ein.
Es kitzelt' ihn der Wassertanz
Vom Haupt im Nacken bis zum Schwanz,
Gleichwie zwei Kinder sich gebahren,
Wenn sie auf und nieder fahren
36
Auf einem gleichwichtigen Bauholz (Schaukel),
Dünken sich damit mächtig stolz.
Als aber Busback geschwind fortrückt',
Und sich tiefer in's Wasser duckt',
Daß dasselbe stieß an allen Enden
Zusammen über seine Lenden,
Dann seine Hosen wurden naß,
Der Schwanz bezeichnet auch die Straß'
Und schleifet in dem See daher,
Als ob's des Schiffmann's Steu'rholz wär;
Ja, da er konnt' kein Land mehr sehen,
Und 's Wasser über'n Kopf wollt' gehen:
Da kam die Reue, doch viel zu spät;
Er klagt, er flucht, er weint, er bet't,
Er raust in Ungeduld Haar und Bart,
Vor Schrecken auch sein Herz erstarrt,
Daß er nicht wußt', wo aus noch ein,
Oder was der beste Rath sollt' sein.
Gott aber er besonders bat,
Er wollt' als eine Missethat
Ihm diese Thorheit nicht zumessen,
Daß er gehandelt so vergessen,
Seiner Eltern Liebe nicht bedacht,
Sie und sich in solch Herzeleid gebracht,
Und in so groß' Gefahr sich begeben.
Würd' er daraus bringen sein Leben,
Er wollt' der Allerfrömmste sein,
Ein'n Tempel bau'n und opfern drein.
Damit fuhr das Wasser empor
Und erfüllet ihm jedes Ohr, !
Daß er seinen Kopf schwingt und hängt
Als ein Hund, der die Enten fangt,
Und schrie: „O Zeter Morior,
Das Wasser geht mir bis in's Ohr!"
37
Der Frosch ihn wieder trösten wollt',
Fuhr oben her, gleich wie er sollt',
Es währt aber der Trost nicht lang;
Denn eine erschreckliche Wasserschlang'
Ließ sich da noch bei ihnen sehen,
Ihr Haupt und Hals erhoben stehen,
Ihre Augen wie Feuerflammen leuchten,
Ihre Zung' und Zähn' zum Biß sich richten,
Und wollt' urplötzlich in sie fahren.
Davon sie all' erstarret waren,
Als wenn Blitz und Donner zugleich
Aufleucht't und schlägt auf Einen Streich.
Sobald Bausback sie ansicht,
Wollt' er den Kampf erwarten nicht,
Noch zugesagte Freundschaft halten,
Sie mußt' jetzt in der Roth erkalten;
Sondern that zu Augen und Mund,
Und fuhr mit seinem Volk zu Grund,
Die auch die vier Mäuslein mitnahmen,
So mit Bröseldieb erst ankamen.
Da sollt' man erst groß Elend sehen
Ueber den Bröseldieb ergehen;
Er siel mit seinen Mauselein
Ueberrück zum See hinein,
Streckt' aus die Händ', zerbiß die Zähn',
Daß er nicht konnt' das Ufer sehn.
Oftmals er auch zu Boden ging
Und kam wieder hervor gering,
Spie das Wasser und soff es wieder,
Wenn er auffuhr und hernieder,
Daß ihm der Schaum lag um den Mund
Und die Nase voll Bläslein stund.
Des Tod's konnt' er sich nicht erwehren,
Die nassen Haar' ihn gar beschweren,
38
Händ' und Fuß' wurden lahm und kalt,
Und die weiße Sonne schwarz gestalt't,
Daß er kein Licht konnt' mehr ersehen,
Der Athem wollt' ihm auch entgehen,
Und das Herz in dem Leib ersticken.
Konnt' kaum noch ein wenig aufblicken
Wie ein Licht, das der böse Schwad'
Im finstern Berg umgeben hat,
Daß es kein' freie Luft kann finden,
Endlich mit Zittern muß verschwinden.
Wie ist das Leben lieb, o Gott!
Wie bitter ist der leid'ge Tod!
Jedoch nahm er in solchem Leid
Mit diesen Worten sein'n Abscheid:
„Wohlan, du wirst Gott nicht entlaufen,
Bausback, daß du mich läss'st ersaufen,
Stürzest mich in die große Roth,
Von deinem Leib in schweren Tod.
Sollt'st du mich auf dem Land bestehen,
Es sollt' dir an dein Leben gehen!
Nun hast du mich zu dieser Frist
In's Wasser bracht durch falsche List,
Und meine lieben Eltern beid'
Gesetzt in's äußerst' Herzeleid.
Gott hat ein Aug', das Alles sicht
Und alle Bosheit ernstlich richt't.
Es wird die Straf' dir werden schwer,
Kommt über dich der Mäuse Heer,
Und bringt dich und dein' Leut' in Noth"
Mit diesen Worten war er todt;
Das Leben fuhr im Zorn und Grimm,
Mit ängstlichem Seufzen dahin.
(Ende des ersten Theils.)
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39
Zweiter Theil.
Wie der Mäusekönig mit Krieg seines Sohnes
Tod rächt und wie die Frösche sich wehren.
Das erste Kapitel.
Wie Bröseldiebs Tod offenbaret und der Krieg
berathschlaget wird.
nterdeß nun die Frosch' gemein
Allesammt jetzt wollten auf sein,
Hat seines Herrn Zustand vernommen
Und war spät aus dem Wald gekommen
Der Jägermeister Tellerlecker,
Und sein Gesell der Butterwecker,
Brachten auch mit sich ihre Mann,
Die schauten das Elend mit an,
Wie ihr Herr nahm seinen Abscheid,
Und war ihnen von Herzen leid,
Daß sie ihn nicht konnten retten
Mit Schwimmen oder Wassertreten.
Sie liefen zwar um an dem Rand,
Besahen 's Wasser und das Land,
Versuchten's mit Schwimmen und Waten;
Es wollt' ihnen kein Anschlag gerathen:
Das Wasser drang ihn'n durch den Mund,
Daß sie wie Steine sanken zu Grund.
Darum fingen sie an zu zagen,
Zu heulen und die Hände zu schlagen,
40
Riefen ihm, daß er seine Seel'
Gottes gnädiger Hand befehl'.
Noch mehr fluchten sie allen Fröschen,
Wollten sie beißen, kratzen, dreschen,
Daß sie ihren König ermord't;
Das war ihr Klag-, Fluch- und Drohwort.
So kam heim das Jammergeschrei,
Daß Bröseldieb ertrunken sei.
Sie führten auch einen Frosch gefangen,
Der bericht't, wie es wär' zugangen;
Denn wie derselbe aus großem Schrecken
Sich vor der Schlange auch wollt' verstecken,
Und aus dem Wasser kroch in's Gras,
Verlegten sie ihm bald den Paß. -----
Der König aber und sein Gemahl,
Die Hofdiener und Bürger all'
Erschraken erst von Herzensgrund,
Daß Niemand sie bedeuten kunnt',
Als ob der Feind ihre Schlösser und Städte
Erstiegen und gewonnen hätte.
Die Königin insonderheit
Konnt' klagen nicht genug ihr Leid,
41
Daß ihr einziger Erb' im Reich,
Welcher schön und dem Niemand gleich,
Der klug, mannhaft und wohlerfahren,
Und der in den blühenden Jahren
Elend im Wasser war' gestorben,
Da die Seel' mit dem Leib verdorben;
Und wär' noch das hoch zu beklagen,
Daß man ihn nicht zu Grab' könnt' tragen,
Sondern er mitten im See vergessen,
Von Frosch' und Schlangen würd' gefressen.
Der Vater aber macht nicht viel' Wort',
Sondern sandte allsogleich Boten fort
Hin durch sein ganzes Königreich,
Daß alle wehrhaften Mäuse zugleich
Ankommen sollten und sich besprechen,
Wie man die Uebelthat möcht' rächen. -—
Drauf fingen die Mäuse an zu wandern
Aus Welschland, Spanien, Frankreich, Flandern,
Der Schweiz und dem ganzen Deutschland;
Jeder sich beim König einfand,
Daß bei Tag und bei Nacht zusammen
Unzählig viele Mausmänner kamen,
Und die Mannthiere groß Wunder nahm,
Woher der große Mauszug kam?
Vermeinten, es würd' ihren Leuten
Feuer, Wasser oder Erdbeben deuten,
Davor die Mäuse wollten entlaufen,
Nicht mit brennen, sinken oder ersaufen. —
Der König und die Fürsten wollten,
Daß sie zwei Tage ruhen sollten,
Essen, trinken und fröhlich sein;
Darnach würd' man halten Gemein,
42
Ihnen am dritten Tag erklären,
Wozu sie herberufen wären.
Das Gerücht war zu den Fröschen kommen,
Sobald die Zeitung es vernommen,
Berichtet, was die Mäus' vornähmen,
Wie häufig sie zusammenkämen.
Darum denn auch Bausback mit Rath
Die Frosch' zu sich berufen hat
Aus allen Seeen, Teichen, Pfützen,
Zu erwarten der Mäuse Trutzen,
Ob vielleicht auch hielt derzeit
Ein Schwert das andre in der Scheid'.
Das zweite Kapitel.
Der Mäusekönig berichtet, warum er die Mäuse
zu sich berufen habe.
Als nun anbrach benannter Tag
Und die Sonne noch am Morgen lag,
Sah man ankommen manchen Mann
Und vor des Königs Richtstuhl stahn,
Dazu die Fürsten näher traten,
Darnach sie Land und Leute hatten,
Bis der König selbst hervorging
Und also an zu reden fing:
„Dieweil ihr Herrn und lieben Leut'
Wisset, warum ihr kommen seid,
Bedarf es der Umschweif' nicht viel.
Mein's Unfalls ist weder Maß noch Ziel,
Nun mir meine allerliebste Kind,
Alle Söhne umkommen sind.
Den erstgebornen jungen Mann
43
Der Wiesel aus der Wiege nahm;
Den andern, daß es Gott erbarm' !
Riß Murner mir selbst von dem Arm;
Den dritten tödtet der Unfall
In der verfluchten Mäusefall';
Den vierten, der noch übrig war,
Und erst erreicht' der Jugend Jahr',
Den alleinigen Erben im Reich,
Der mir ganz ähnlich war und gleich,
Den ich und seine Mutter, das arme Weib,
Mehr liebten, denn das Herz im Leib' :
Den hat der Froschkönig Bausback
In See geführt auf seinem Nack',
Verrätherisch ersäuft, ermord't;
Wer hat je solch' Schelmstück gehört?
Es kommt der Mord ihm nicht zu gut,
Sie sollen's bezahlen mit Leib und Blut !
Ich hoff', ihr steht mir treulich bei,
Daß das Vornehmen glücklich sei!
Mein Herz kein'n Trost, noch Fried' erwirbt,
Bis Bausback von mein'n Händen stirbt!"
Damit zuckt er die Faust und Schwert;
Sie riefen: „Er ist nichts Bess'res werth,
Er soll mit all' den Seinen sterben,
Wir wollen sie schlagen und verderben,
Daß keiner mehr bleib' in der Welt;
Wir thun, was dem König gefällt!"
So riefen sie all' in großem Zorn
Und grunzten wie die wilden Mohr'n;
Wie die Dohlen zu Felde fliegen,
Wenn sie im Herbst auf Dächern liegen;
Wie im Sturmwind die Wasserwellen
44
Sich mit Rauschen an's Ufer schnellen;
Bissen die Zähne, stürzten die Spieß';
Ein Ieder sich bedünken ließ,
Er wollt' die Frosch' allein erschlagen,
Oder aus der ganzen Welt verjagen.
Das dritte Kapitel.
Rathhülfer gibt Ratb, was die Mäuse für Beistand
werben können.
Den Fürsten vornehmlich die Red'
Aus Zorn im Herzen wehe thät.
Insonderheit waren ihrer Vier,
Die ihr Bedenken brachten für.
Der erste des Königs Vetter war,
Hatt' Krieg geführet nun viel' Jahr',
An sich gebracht viel Gut und Land,
Und war Fürst Rathhülfer genannt.
Der sprach: „Daß man nichts übereil',
Es heißt mit Recht: Eil' mit Weil' !
Laßt uns zuvor um ein'n Beistand
Abschicken in der Ratzen Land,
Welche recht starke Riesen sein,
Ihrer drei würgen ein feistes Schwein.
Desgleichen auch die Wassermäus',
Die am Wasser haben ihr Gehäus';
Dazu sind noch die Haselmäus,
Mit ihren breiten Schwänzlein kreis,
Gemustert wie die Eichhörnlein;
Sollen gern unser Beistand sein
Das scharfzähnige Murmelthier,
Der Hamster, des Kornreichs Baron,
Des ganzen Mäusgeschlechtes Kron';
Niemand war, der es ihm nachthut,
45
Er hat ein'n rechten Löwenmuth;
Darum er wohl mit Ehren trägt
Sein Kleid, mit Buntwerk wohl belegt,
Wie ein Kurfürst und Bannerherr.
Wir gönnen ihm billig die Ehr',
Lassen ihn ziehen vorne an;
Die Ratzen sollen nachher gähn (gehn);
Endlich wollen wir folgen drauf,
Der Haselmäuse heller Häuf.
Die Wassermaus sollen in's Wasser springen
Und die Feldflüchtigen umbringen;
Die Fledermäuse von oben 'rein
Können zuführen große Stein'
Und auf den Feind in aller Eil'
Abwerfen wie die Donnerkeil'.
Sonst wollen wir fetzen in's Gras
Die Zeismäus' mit der spitzen Nas',
Zu warten auf den Hinterhalt,
Daß sie die Frosch' todt beißen bald.
Dann lasset uns die Störche bitten,
Daß sie mit uns die Frosch' bestritten;
Sie würden sich nicht lang bedenken,
Den Fröschen ihre Schnäbel schenken.
Wenn das angeht, so ist's gemacht,
Dann haben wir gewonnen die Schlacht.
Darum nur immer frisch daran,
Ich will nicht sein der letzte Mann!"
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46
Das vierte Kapitel.
Fürst Reismehlsack warnt vor fremder Völker
Beistand im Kriege.
Nach diesem fing zu reden an
Ein wohlversuchter Kriegesmann,
Fürst Reismehlsack gar wohl genannt;
Hielt sein'n Spieß in der rechten Hand,
Und faßt' mit der linken den Degen,
Von Herzens Muth war er verwegen.
„Fürst Nothhülfer redet gar wohl",
Sprach er, „wenn ich aber auch soll
Bedenken, was uns nütz' möcht' sein,
So dünkt mich's Beste, wir bleiben allein,
Laden zu' uns nicht solche Gäste,
Die uns bissen aus unserm Neste.
Es gerathen solch' ungleiche Ding',
Wie es mit zwei Töpfen ging:
Einer war Erz, sehr theuer und werth,
Der andre schlechter Thon und Erd';
Standen am User allebeid',
Sich umzusehen kurze Zeit,
Bis ihre Schifsleut' wieder kämen,
Sie in ihren Gewahrsam nähmen.
Da ergoß sich wider Vermuthen
Ein groß' Wasser mit seinen Fluthen,
Erhob die Topf' und führt' sie hin;
Der irdne Topf sah aus gar schlimm,
Befürchtet', er würd' an's Ufer stoßen,
Er würd' ersäuft und voll gegossen;
Bat deswegen den eh'rnen Topf,
Wollt' er ihm helfen halten den Kopf,
Daß er nicht müßte untergehen;
47
Er wollt' ihm wiederum beistehen.
Der eh'rne Topf sagt: „Warum nicht?
Ich will mich zu dir halten dicht."
Und streckt' damit ein Füßlein her,
Welch's des andern Topfs Handgriff war';
Wie aber der ird'ne Topf ging,
Daß er sich an den eh'rnen hing,
Er zu leicht im Wasser war;
Das hob ihn alsbald hoch empor
Und ließ ihn mit ein'm großen Schallen
Auf den eh'rnen hinunter fallen.
Da war der arme Topf entzwei,
Verschied mit einem großen Geschrei,
Lehrt allen Töpfen, Jungen und Alten:
Sollten sich zu ihres Gleichen halten.
Die Distel hört' auch den Eichbaum loben,
Daß er im Wald stünd' hoch erhoben,
Und eine schöne Tochter hatt',
Darum schickt' er zu ihm und bat,
Daß er die gäb' sein'm Sohn zum Weibe,
Und daß im Thal sie bei ihm bleibe.
Der Eichbaum wollt' die Wohnung sehen,
Alle Waldthier' mußten mit ihm gehen;
Eh' aber er fragt, wer ihn gebeten,
War Vater und Sohn ganz zertreten,
Und lernten auch mit großem Schaden:
Ungleiche Freundschaft sei nicht zu rathen.
Das fünfte Kapitel.
„Wie Prangern, dem muthigen Pferd,
Derselbe Possen auch widerfährt.
Das Pferd kam aus dem Paradeis,
48
Hielt sich nach seiner Freiheit Weis',
Weidet sich ohne Neid und Haß
In schöner Au, im grünen Gras,
Und lief gegen den Wind zur Lust,
Daß Mähn' und Schwanz aufwehen mußt',
Daß sie wie Feuerflammen aufgingen,
Gleich als Flügel zierten das Springen;
Bis daß es kam zum Wiesenrand',
Welchen sich's selbst hat zum Ziel ernannt.
Da stand es, winket mit dem Ohr,
Zuckt die Schenkel, setzt den Fuß hervor,
Beißt die Zähne, wetzet den Mund,
Und lacht fröhlich aus Herzensgrund,
Daß Niemand seiner Schönheit gleicht,
Und das Ziel so bald wär' erreicht.
Das sah und hört' der Hirsch Hornung,
Biß aus großem Zorn seine Zung',
Spitzt die Ohren, klopft mit dem Schwanz,
Schnaubt mit der Nase, schickt sich zum Tanz,
Als ob's ihm wär' zum Spott geschehen.
Wollt' dem Hochmuth nicht mehr zusehen
Und sprang mit ein'm Hui auf das Roß
Mit einem gar gefährlichen Stoß,
Daß sich Pranger dafür entsetzt,
Als hätt' der Teufel ihn gehetzt,
Und lief schnell wie der Ostwind weht,
Wie eine Kugel zur Büchs' ausgeht,
Immer zu seiner Wiese auf.
Der Hirsch folget mit gleichem Lauf,
Sprang ihm vor, bot Haupt und Horn,
Wollt' recht sättigen seinen Zorn,
Bis das Pferd mußt' die Weid' verlassen,
Nehmen zum Mannthier seine Straßen,
49
Bot, wenn das Mannthier ohne Beschweren
Zu Rettung seines Gut's und Ehren
Auf ihm wollt' sitzen mit ein'm Spieß,
So wollt' er's tragen ganz gewiß,
Daß es den Hirsch erstechen könnt';
Das Wildpret es ihm gerne gönnt'.
Das Mannthier sagt es zu, zu wagen;
Aber es wär' nicht genug am Tragen,
Es gehört' dazu Zaum und Gebiß,
Daß es den Lauf regiert' gewiß.
Prangern gefiel der Vorschlag schlecht;
Damit er aber würd' gerächt,
So dacht' er: „Ich will Alles wagen;
Wird nur mein Feind, der Hirsch, geschlagen!"
Das Mannthier legt' ihm an den Zaum,
Daß von dem Maul abfiel der Schaum,
Und macht' an seinen Schuh ein'n Dorn,
Weil noch erfunden nicht die Spor'n;
Nahm auch sein'n Bogen, Schwert und Spieß.
Das Pferd ihn willig aufsitzen ließ,
Und lief damit dem Hirsche zu.
Der stand beim Wasser in der Ruh',
Besah sich seiner Hörner Gestalt,
Wie in ein'm Spiegel abgemalt,
Dacht': „Schad' ist's nur, daß meine Bein'
So zart sind, schmal, so schwach und klein!"
Da schoß das Mannthier ihm in Eil'
Durch seinen Rücken einen Pfeil;
Das Roß fetzt' ihm nun tapfer nach,
Zu rächen die erlitt'ne Schmach,
Bis daß der Hirsch lief durch's Gesträuch,
Daß aus der Haut den Pfeil er streich',
Und unversehens daselbst sich hing
50
An seiner Hörner Kummen Zink'.
Da flucht' er erst den Hörnern sehr,
Und lobt' die Füße nun vielmehr,
Und bat den Jäger um Verschonen.
Das Pferd sprach: „Nein, ich muß dir lohnen
Den großen Stolz und den Muthwillen,
Den du auch wollt'st an mir erfüllen."
Damit das Mannthier seinen Spieß
Dem Hirsch im Rennen durch's Herze stieß.
Da sagt' das Pferd: „Gott sei gedankt,
Daß ich mein'n Willen hab' erlangt!
Nimm ihn nun hin, du, mein Mannthier,
Bind' ihm zusammen alle Vier',
Schlag' ab sein Horn, zieh' aus sein Kleid,
So thut er mir nichts mehr zu leid.
Und zieh' mir wieder ab den Zaum,
So spazier' ich nach meinem Raum."
Das Mannthier sagt': „Das muß nicht sein,
Du mußt den Hirsch mir tragen heim,
Und Holz auch fahren zu dem Braten,
Weil Alles ist sehr wohl gerathen;
Sollst auch helfen dreh'n die Mühl',
Damit ich Mehl bekomm' die Füll',
Zum Braten Kuchen back' und Brod,
Davon ich dir auch gönn' das Schrot,
Insonderheit wenn du meine Gäst'
Auf dir nach Hause reiten läss'st."
Das Pferd hielt sich gar ungestüm,
Warf sich die Quer' und in die Krümm',
Wollt' den Zaum im Maul zerbeißen,
Und mit Gewalt sich auch losreißen,
Oder den Reiter gar absetzen,
Nicht mehr leiden das Domensetzen.
51
Aber das Mannthier nahm sein Schwert,
Und schlug so grimmig auf das Pferd,
Stieß es mit seinem Stacheldorn,
Daß es aus Schreck die Sprach' verlor'n,
Und aus seiner lieben Freiheit
Kommen in ew'ge Dienstbarkeit.
Zuletzt wenn ich recht betracht'
Unsre eigne, große Macht,
Und wie der Geringste aus dem Haufen
Ein'm Elephanten kann entlaufen,
Halt' ich fremde Hilf' für unnoth.
Hab'n wir Mannthiere gebissen todt,
Ihrer ganze Länder voll verjagt,
Und wollten setzt sein so verzagt?
Kein Volk ist so schlecht in der Welt,
Wenn sich's fein aneinander hält
In brüderlicher Einigkeit,
Hat wohl acht der Gelegenheit,
Führt weislich Krieg und eilt geschwind, —
Das seinen Feind nicht überwind't;
Es wollt' denn Gott das Glück nicht geben,
Denn wider Gott ist nicht zu streben!"
Das sechste Kapitel.
Fürst Forklug rathet, daß man Alles mit wohlbedachtem
Rath angreife und sich nicht übereile.
Fürst Forklug war ein weiser Mann,
Bracht' sein Bedenken also an:
„Die Fürsten reden wohl und recht-,
Wir wollen's strafen; das ist schlecht,
Was die Frosch' uns haben gethan;
Wir brauchen auch keine fremde Mann;
52
Es ist auch recht, daß man erschreckt
Den Feind, der noch im Winkel steckt,
Und daß man leicht den Held verjagt,
Der über sich selbst ist verzagt.
Wer aber Andre schrecken soll,
Muß sich selber verwahren wohl,
Daß er nicht erschrickt und werd' geschlagen,
Wenn er meint Andre zu verjagen!
Der Mülleresel wollt' den Sack
Nicht mehr tragen und andern Pack;
Wußt' doch nicht, wie er's sollt' anfangen,
Wenn er dem Müller wär' entgangen,
Daß dieser ihn nicht nehm' beim Strick
Und trieb mit Schlägen ihn zurück.
Er fand am Weg davon nicht weit
Eine Löwenhaut, wohl zubereit't,
Die einem Junker bei dem Jagen
Entfallen war von seinem Wagen;
Zog die fein zierlich an und um,
Und lief damit im Wald' herum,
Erschreckt' und jagt', wer an ihn kam.
Das Geschrei auch sehr überhand nahm,
Es wär' im Wald ein großer Leu,
Der sich seh'n ließ ohne Scheu,
Lief Jedermann nach gar vermessen,
Hätte des Müllers Esel gefressen,
Würde ohn' Zweifel das ganze Land
Morden, verwüsten nach der Hand.
Dem Esel im Herzen es wohlthat,
Daß er so groß' Ansehen hätt';
Gedachte: „Du mußt keck auftreten!
Man soll dich endlich noch anbeten;
Auch der Müller und sein Knecht.
53
So willst du sie bezahlen recht."
Damit er hin zur Mühle ging,
Dem Müller erst zu grau'n anfing,
Und wollt' die Mühlenthür' zurücken:
Da sieht er die Ohr'n vorblicken,
Ruft sein Gesinde ungeheuer:
„Kommt her und schaut dieß Abenteuer!
Schaut her, da kömmt unser Kuman,
Hat ein'n Löwenpelz angethan!"
Damit er Kuman in der Hast
Bei seinen langen Ohren faßt,
Und zog die Löwenhaut ihm ab,
Und viele Schläg' ihm dazu gab;
Und Jeder spott't des armen Gecken,
Daß er den Esel nicht konnt' decken.
Darum ist's nicht ganz sich'rer Rath,
Daß man Lust zum Erschrecken hat.
Rathfamer ist's, man eil' mit Weil',
Daß man sich auch nicht übereil'.
Wer etwas weiß zu bessern dran,
Tret' auf, laß sehen, was er kann!"
Das siebente Kapitel.
Friedlieb widerräth den Krieg.
Wie das so Jedermann vernommen,
Erhob sich wiederum ein Brommen,
Wankten, wie im Feld die Saat,
Wenn sie der Wind gerühret hat.
Einer sah den Andern an,
Wer sich ausgäb' für solchen Mann;
Bis der vierte Herr auch vortrat
Und offenbaret seinen Rath.
54
Er war geboren edler Art,
Vor Alter grauet' ihm der Bart.
Derselbe ward unter den Alten
Für den allerweisesten gehalten,
Hielt sich reisig, wie ein Hofmann
Und schnallt' allzeit ein'n Säbel an;
War eh'mals Hofmeister gewesen,
Konnt' auch wohl schreiben und wohl lesen;
War jetzt Oberaufseher im Land',
Von Ernst und Tugend wohlbekannt.
Der winket Allen mit der Hand,
Daß man hielt einen Stillestand.
Bald schwieg der Haus und hörte still,
Was der alt' Friedlieb sagen will.
Wie sie nun aufsperrten den Mund,
Und Alle hinsahen, wo er stund',
Hob er die Augen von der Erd',
Sie allgemach zum Haufen kehrt',
Strich auch zurück am Bart den Knebel,
Fass't mit der linken Hand den Säbel,
Und räuspert sich zum dritten Mal,
Sprach, daß es schallet überall:
55
„Großmächt'ger König, gnäd'ger Herr !
Die Sachen sind sehr groß und schwer,
Die wir jetzund anfangen wollen;
Darum wir's wohl bedenken sollen:
Denn vorgethan und nachbedacht,
Hat Manchen in groß' Leid gebracht,
Und vorbedacht, was noch mag kommen,
Hat gebracht oftmals groß' Frommen.
Ich gedenk', wie vor langen Jahren,
Da wir noch junge Mäuslein waren,
Und ich im Schloß am Fürstensaal
Mit meinen kleinen Brüdern all'
Hinter dem Getäfel im Nest
Verwahret lag sehr wohl und fest,
Hielten große Herren wohlbedacht
Heimlichen Rathfchlag die ganze Nacht,
Wie man ein'n Krieg wollt' fangen an.
Ausschreiben, besolden Pferd' und Mann,
Verlegen alle Weg' und Paß;
Der Eine sagt' dieß, der Andre das,
Bis endlich der Fürst scherzweis fragt,
Was denn der Hofnarr dazu sagt,
Der ungefähr auch war dabei,
Mehr Wesens macht, denn Andre drei,
Wenn er's Licht putzt, die Becher schwenkt
Und dann Bier oder Wein einschenkt;
Das war seine befohl'ne Sach',
Darauf er wartet im Gemach.
„Was ist denn Krieg?" fraget der Narr,
„Ist's eine Kuh, oder ein Farr (Ochse)?"
Der Fürst lachet und sagt nachher,
Daß Krieg ein solcher Handel war',
Da man sammelt viel' Leut' und Pferd'
Mit Harnisch, Bogen, Spieß und Schwert;
56
Daß der Feind auch desgleichen thät',
Zögen gegen einander auf einer Statt'.
„Was mehr?" fragt er. Der Fürst antwort't:
„Da hebt sich an ein grausam Mord;
Etliche Tausend werden erschlagen,
Etliche muß man halb todt wegtragen."
„Was denn", sagt der Narr, „was ist's End' ?"
Der Fürst lacht und antwort't behend' :
„Endlich verträget man die Sach'." —
„Billig ich solcher Thorheit lach' " ,
Sprach der Narr, „warum wollt ihr Affen
Euch nicht also bald Frieden schaffen,
Alle Sachen zuvor vertragen,
Eh' ihr werdet zu todt geschlagen?"
Diese Red' wollt' Keinem gefallen,
Und ward auch verspottet von Allen,
Bis sie endlich wurden geschlagen,
Mußten den Spott zum Schaden tragen. —
Wenn ich nun auch hier geb' den Rath,
Den jener Narr gegeben hat:
Man soll nicht so schleunig und bald
Die Sach' betreiben mit Gewalt,
Sondern zuvor Legaten senden,
Bausback anklagen vor des Reich's Ständen,
Ihn zur Straf' fordern ernstiglich.
Wollt er darauf nicht finden sich,
Bestellt man heimlich eine Wacht,
Die ihn erwischet auf der Jagd
Und bringt ihn her zu uns gefangen:
Am höchsten Baume sollt' er hangen!
Er ist doch schuldig ganz allein,
Und seiner Unterthanen kein';
57
Wird aber Krieg gefangen an,
So geht es über die Unterthan'n.
Darum räch' ich, eilt nicht so sehr;
Krieg wird Freunden und Feinden schwer.
Nächst einem gottseligen Tod
Ist Fried' das edelste Kleinod,
Das uns Mäusen hier kann zustehen.
Fried' soll vor Krieg und Sieg hergehen;
Fried' ist aller Welt Trost und Freud';
Gott erhalt' Fried' zu unsrer Zeit!"
Das achte Kapitel.
Milchrahmlecker wählt den Krieg, dem auch
der König beifällt.
Bald fuhr heraus ein junger Mann,
Der mit Ungeduld höret an,
Was Friedlieb gutherzig gesagt,
Frieden gerühmt, über Krieg geklagt, —
Junker Milchrahmlecker genannt.
Der meinet, es wär' Sünd' und Schand',
Wenn Jemand von den Feinden hört
Des Alten so verzagte Wort'.
„Wer sich nicht wehrt, ist leicht geschlagen;
Wer selber flieht, ist leicht zu jagen;
Wer seines Feindes erst' Gewalt
Nicht widersicht und rächet bald,
Der gibt Ursach' zum neuen Streit,
Daß er's mehr mach' zu andrer Zeit;
Drum bleibt der Schlange freier Paß,
Den Aal frißt man ohn' Unterlaß.
Damit uns dieß nicht widerfahr',
Die Frosch' nicht pochen alle gar,
58
Ist allerliebst des Königs Rath,
Daß wir angreifen frischer That!
Kein' tapfre That ist ohn' Gefahr,
Dank hat, der es nur wage dar!
Für König und Vaterland männlich sterben,
Mit seinem Blut den Fried' erwerben,
Das müssen thun die jungen Mann,
Die Muth und Blut im Busen han!" (haben)
Der König sah den alten Mann
Mit starren Augen grimmig an,
Und sprach: „Du fürchtest der alten Haut,
Es wär' Thorheit, daß man dir traut' !
Bleib' immer heim und bet' dieweil.
Wer meiner Gnad' will haben Theil,
Der mache sich in großer Hast
Mit seiner besten Wehr gefaßt,
Und find' sich morgen am Musterplatz,
Allwo ich ein Mandat erlaß;
Da wollen die Aemter wir bestellen,
Und was noth ist, ferner befehlen.
Und du Trompeter und Herold
Mit vier Reitern abreiten sollt'
Zum See, wo der Bausback Hof hält,
Und ihm sagen im freien Feld:
Wann der dritt' Tag anbrechen wird,
Daß man die Sonn' am Aufgang spürt,
Wollen wir an derselben Statt,
Wo er mein'n Sohn verrathen hat,
Ihm männlich liefern eine Schlacht;
Darauf foll er kurz sein bedacht!" —
„Gottlob, das ist recht!" rief die Schaar,
„Wir wollen ihn bezahlen baar,
59
Daß er des Königs Sohn ermord't!"
Damit ging Ieder an seinen Ort,
Und hatt' sonst nichts Anders zu sprechen,
Als wie er sich wollt' rüsten und rächen.
Das neunte Kapitel.
Wie den Fröschen der Krieg angesagt wird, und was
sie dabei beratschlagen.
So rücket an des Ufers Rand
Der Herold, Topfkriecher genannt,
Des Schrotkäs'n allerliebstes Kind,
Zeigt das Scepter und sagt geschwind:
König Partekfresser hochgebor'n
Hat wider euch gerechten Zorn,
Sammt der ganzen Mäusenation,
So unterworfen seiner Kron',
Daß du, König Sehbold Bausback,
Sein'n Sohn gestürzt in Tod vom Nack'.
Das wollen sie rächen mit der Hand,
Entsag'n dir, dein'n Leuten und Land,
60
Und wenn man am dritten Tage spürt,
Daß die Sonne aufgehen wird,
Wollen sie an derselben Statt,
Da du ergabst den falschen Rath,
Euch liefern eine blut'ge Schlacht,
Darauf seid mit kurzem Bedacht ;
Und habt ihr Herz und Hand zum Streit,
So wehrt euch unser, es ist Zeit!"
Damit schoß er ein'n Pfeil in'n Haufen,
Und ließ sein Pferd wieder heimlaufen.
Die Frosche aber entsetzten sich sehr
Ob dieser wunderlichen Mähr'.
Der König aber berief sofort
Die Männer auf ein'n besondern Ort,
Und sprach: „Ihr Herren und lieben Leut',
Wie seid ihr so unmuthig heut'
Und seht mich so unfreundlich an,
Als wenn ich wäre schuldig dran?
Des Königs Sohn kam ungebeten
Zu mir an's Ufer hergetreten,
War schneeweiß und gezieret fein,
Klug genug, aber vom Leibe klein.
Man sagt, daß eine weiße Maus ,
Veränder' und betrüb' das Haus.
Wohl mag's wahr sein, weil mir jetzunder
Die weiße Maus macht auch solch' Wunder.
Hat ihn die Wasserschlang' gefressen,
Oder hat er's Maul offen vergessen,
Und des Wassers zu viel gesoffen,
Daß ihm der Tod das Herz getroffen,
Ist's ohne mein Wissen und Will'n geschehen,
61
Ich Hab' davon gar nichts gesehen:
Wie ihr selber auch werdet sagen,
Wie herrlich ich ihn hab' getragen.
Drum seid getrost und unverzagt,
Wir werden unschuldig verklagt,
Ich habe das oft hören sagen:
Wer Andre fordert, wird geschlagen;
Und wer einem Andern gräbt ein Loch,
Muß selber darein stürzen noch!
Wir treten's Wasser und das Land,
Sie sind auf Erden nur bekannt,
Und müssen in dem Wasser sinken,
Jämmerlich wie ein Stein ertrinken.
So wollen wir die armen Thoren
Ergreifen bei den langen Ohren
Und alle in den See hinzwingen,
Und sie allesammt umbringen,
Und dann am Ufer überall
Aufrichten herrliche Freudenmahl',
Die todten Mäus' beim Hals aufhenken,
Daß andre Feinde daran denken.
Ja, wir wollen auch auf dem Platz
Uns zu ehren, dem Feind zum Trotz
Ein Schloß bauen mit Thurm daneben
Mit Namen: Zu den Wasserlöwen,
Daß wir daselbst die Mäus' umbracht
Mit Löwenmuth und Löwenmacht."
Das zehnte Kapitel.
Quadrat widerräth den Krieg.
„Warum das nicht?" sprach Jedermann;
„Wir wollen bei dem König stahn!"
62
Als Fürst Quadrat, der Ehrenwerthe,
Dawider ernstlich sich beschwerte:
„Gefährlich ist's, mit Mäusen kriegen,
Die all'zeit bei den Mannthier'n liegen,
Und lernen von ihn'n alle List,
Davon ihr noch gar wenig wißt.
Sie hab'n auch starke Zähn' und Klauen,
Können sehr beißen und hart krauen.
Es wird sein ein gefährlich Ringen,
Sollen wir eine in's Wasser bringen!
Es ist auch nicht zu aller Zeit
Gut Glück bei arglistigem Streit,
Dadurch man will ein ganz Geschlecht
Tödten, oder machen zu Knecht.
Zudem ist noch ein Zweifel dran,
Ob die Maus nicht schwimmen kann:
Denn als Hatto, Bischof zu Mänz (Mainz),
Das Korn sammelt' in seine Gränz',
Und arme Leute kam'n gelaufen,
Um ihr Geld ihm Korn abzukaufen,
Versperrt' er sie in eine Scheuer,
Und ließ sie verbrennen in dem Feuer.
Als aber die gefang'nen Mann
Ihr Jammergeschrei fingen an,
Lacht' der Bischof von Herzensgrund,
Sprach mit seinem gottlosen Mund:
„Wie schön können die Kornmäus' singen!
Kommt, kommt, ich will euch mehr Korn bringen."
Von Stund an sah er Abenteuer,
Die Mäuse liefen zu ihm vom Feuer
So häusig, daß Niemand konnt' wehren,
Sie wollten ihn lebend verzehren.
Drum baut' er mitten in den Rhein
63
Ein'n hohen Thurm von rothem Stein;
Aber es war verlorne Sach',
Sie schwammen ihm mit Haufen nach,
Stiegen muthig den Thurm hinauf,
Fraßen ihn ungebraten auf.
Darum, wenn Gott uns strafen wollt',
Am Schwimmen es nicht mangeln sollt'.
Drum wäre wohl ein guter Rath,
Man schickt den Mäusen ein'n Legat,
Ließ uns're Unschuld vorerst erklären,
Eh' man greifet zu den Wehren;
Bät' um ein'n Frieden und Vertrag,
Schickt' auch ein Geschenk, das viel vermag.
Besser ist Fried' mit Beschwerlichkeit,
Als Krieg mit eitel Gerechtigkeit."
Das elfte Kapitel.
Watarachs widerräth die Feldschlacht und wählt
die Belagerung.
Fürst Watarachs auch dazu spricht:
„Zur freien Feldschlacht rath' ich nicht.
Sie werden uns nicht sehr thun weh,
Wenn wir bleiben in unserm See,
Und lassen sie am Ufer warten,
Da wollen wir's ihnen seltsam karten.
Wenn der Regen und kalte Wind
Ihnen durch die Pelzlein rinnt,
So wird ihr Muth bald werden klein,
Und werden feind sich selber sein,
Daß solcher Lärm ist angefangen,
Wodurch sie nichts als Schimpf erlangen,
Und uns selbst anbieten Vertrag,
Oder heimlich kriechen in Sack.
64
Wir wollen auch Verehrung senden
Zu ihren Feinden an allen Enden,
An Katzen, Iltis, Wiesel, Weih',
Daß dieselben uns stehen bei
Mit ihr's Geschlechts Verwandten allen,
Sie unversehens zu überfallen.
Wenn das angeht, so sind wir frei:
Ich weiß sonst nichts, was besser sei!"
Das zwölfte Kapitel.
Morbachs will, daß man eine Feldschlacht halten soll.
Fürst Mordachs saß auch an dem Ort
Und gab darauf dieß zur Antwort:
„Ich halt' nicht rathsam solcher Maßen,
Daß man sich woll' belagern lassen,
Unsre Freiheit also einnehmen,
Und vor der ganzen Welt beschämen!
Daß Watarachs Mäusefeind' wollt' dingen,
Wider die Mäus' zu Felde bringen,
Ist gut, wenn Gott wär' bei der Sach',
Denn da fragt jetzt ein Jeder nach.
Wer mit Kriegern will Ehr' erjagen,
Muß sie wohl zahlen und wohl plagen,
Dem Uebelthäter thun sein Recht,
Er sei reich, arm, Ritter oder Knecht,
Damit sie in Gehorsam bleiben,
Den Feind auch helfen recht vertreiben.
Wer aber hat gottlose Händ,
Der hält nimmer gut Regiment,
Schafft auch wider den Feind kein'n Rath,
Weil er die Feind' selbst bei sich hat,
65
Die ihn nach Länge der Zeit auffressen.
Das müssen wir hier nicht vergessen:
Die Katz' will haben Speck all'zeit,
Der Wiesel frische Milch bereit't,
Iltis und Weih' der Hühnlein viel, —
Sonst fressen sie uns ohn' Maß und Ziel.
Darum rück' man zu ihm heraus
Zu Feld, vor des Mäus'königs Haus,
So findet jeder muth'ge Held
Täglich seinen Sold im Feld,
So essen wir der Feinde Brod,
Und unser Land kommt nicht in Roth.
Und ist uns nicht zu widerrathen,
Gleichwie die Satanier thaten,
Die Gott und Teufel bet'ten an,
Wollten sie beid' zu Freunden han,
Daß Gott ihn'n gnädig wär' all'zeit,
Daß der Teufel ihn'n thät' kein Leid.
Wir müssen auch unsre Mönche ehren,
Daß sie nebst uns dem Feinde wehren,
Mit Zulegen einer Summe Geld,
Die den Ratzen werd' zugestellt,
Speck, Bratwürst' und viel Korn zu kaufen,
Daß sie die Zahl der Mäus' nicht häufen.
Uns aber laßt in Mitte gehen,
Wie Helden bei einander stehen,
Mit Werfen, Stechen, Hauen, Schlagen,
So Gott will, den Sieg davon tragen;
Nur daß man bald zur Sache greif'
Und wart' nicht bis zum letzten Reif!
Ich will mit wagen Gut und Blut;
Der ist mein Freund, der auch so thut!"
66
Das dreizehnte Kapitel.
Rana gibt Rath, man sollte leinen fremden
Beistand haben.
Fürst Rana sprach: „Ja, herzlich gern,
Denn für unfern König und Herrn
Will ich lassen mein Leib und Leben,
Und eurem Rath nicht widerstreben;
Nur zwei Dinge ich darin find',
Die mir etwas bedenklich sind:
Das erste ist der fremde Beistand,
Das andre der Krieg in fremdem Land.
Ich rath', man lass die Fremden sein,
Und wir führen den Krieg allein;
Auch folgen wir demselben Rath,
Den erst der König geben hat:
Den Feind am Ufer zu erwarten,
Ihn da zu klopfen auf die Schwarten,
Oder in unserm See ertränken,
Daß Kind und Kindeskind dran denken!"
Der König sprach: „Das ist ein Mann,
Der rathen und beschließen kann.
Dabei bleibt es. Nun höret zu:
Wenn der Tag anbricht morgen früh,
So komm' hier jeder wieder her,
Gerüst't mit seiner besten Wehr,
Und erwart' dann ferner Bescheid,
Worauf und wann er sei bereit!"
Damit fuhren sie fröhlich ab;
Und da war kein so schlimmer Knab',
Der nicht anfing keck zu sagen,
67
Wie viel er wollt' der Mäus' erschlagen,
Wie er nun wär' so unverzagt.
Darauf ward die Rüstung gewagt.
Das vierzehnte Kapitel.
Von der Mäuse Rüstung.
Als nun der Kriegesrath gehalten
Von den Jungen und den Alten,
Fingen sie an sich zu rüsten
Auf das Beste, wie sie wüßten;
Machten ihr' Ordnung mancherlei,
Die Mäuse war'n gar hurtig dabei.
Erstlich, wie denn die Krieger pflegen,
Sie ihren Bein'n Harnisch anlegen,
Den sie aus frischen Bohnen machten,
Und fast die ganze Nacht zubrachten,
Damit die Schalen wurden hohl,
Und sich zu 'n Beinen schickten wohl.
Der Brustharnisch der war aus Rohr.
Künstlich gefaßt hinten und vor(n),
Mit eines Wiesels Haut verbunden,
Den sie neulich hatten geschunden.
Die Schilde waren aus Horn gebissen,
Von einer alten Laterne gerissen;
Die Spieße, wie Nadeln spitz und schmal,
Aus dichtem Erz geschmiedet all'.
Zuletzt nahmen sie große Nußlauben (-blätter),
Und setzten sie auf als Sturmhauben.
Sie musterten auch Jedermann,
Und wer da war an Fäusten lahm,
Oder die Finger nicht hatt' alle,
Vielleicht gelassen in der Falle,
Daß er den Spieß nicht führen kunnt':
68
Dem legten sie ein Gebiß in 'n Mund,
Und brauchten ihn gleichwie ein Roß;
Das war ein lächerlicher Troß.
Der König aber insonderheit
Hat angethan ein Wunderkleid,
Eines schwarzen Maulwurfs Haut,
Davor den Mäusen selber graut.
Die Augenlöcher war'n aufgezerrt,
Das Maul auch schrecklich aufgesperrt,
Daß man die weißen, scharfen Zähn'
Sah ordentlich bei einander stehn.
Die Handschuh waren abgeschnitten,
Die Beinlein geräumt inmitten,
Daß er könnt' führen Schwert und Stangen,
Den Feind erlegen, oder fangen.
Von der Achsel aber bis zur Hand
Vom Wieselschwanz ein Aermel stand.
Der Beinharnisch war hell und klar,
Wie ein Krystall durchsichtig gar,
Von einem Federkiel gedrehet,
Unten dran des Maulwurfs Schuh' genähet.
Zu schürzen er sich auch ansing
Mit einem goldnen Gürtelring,
Worin viel schöne Glöcklein hingen,
Die prächtig konnten einherklingen ;
Darnach legt er an das Halsband,
Darauf viel Goldes war gewandt.
Die königliche Kron' zuletzt
Er auf des Maulwurfs Haupthaar setzt,
Befestigt an den Seit'n mit Heften,
Mit gold'nen Nadeln und mit Steften (Stiften),
Damit sie nirgend weichen kunnt'.
Sie war von Gold formiret rund,
69
Mit zwölf geraden, spitzen Strahlen,
Wie man die Sonne pflegt zu malen.
Die hatten des Königes Vorfahren
In einem Aufruhre vor Jahren
Aus dem Kirchenschatz bekommen,
Und dem Götzen vom Haupt genommen.
Nie er war also angekleid't,
Hing er das Schwert an seine Seit',
War ein zweischneidig Federmesser,
Und auch nirgends zu finden besser,
Das Heft von weißem Elfenbein,
Die Scheide zierlich auch und fein,
Auch der Klinge nach gebogen,
Mit Gold und Seide überzogen.
Zudem er an dem Arm zu link
Einen Schild von Erz aufhing:
Am Rand die Mäus' die Katz' anbinden,
Sie erbärmlich und kläglich schinden;
In der Mitt' stand eine Fledermaus,
Breitet' Flügel und Klauen aus,
70
Mit drei Köpfen und ein'm Katzenschwanz,
Die Färb' war schwarz von schönem Glanz, —
Welches der Mäuse Wappen war.
Darunter stand ein Sprüchlein klar:
Ein'n kleinen Feind du nicht veracht',
Denn wenn du schläfst, so hält er Wacht!
Mit dieser Rüstung, Schild und Schwert
Sprang er mit gleichem Fuß auf's Pferd,
Und nahm dm Spieß von dem Trabant
Großmüthig in die rechte Hand,
Und warf sein Pferd künstlich herum,
Zur Rechten, Linken, quer und krumm,
Und sprach: „Das walt' der liebe Gott,
Helf' mir rächen meines Sohnes Tod!"
Sein Pferd war stark und geschwind,
Wie man die Ackermäuse find't
Nahe an der Hausratten Stand,
Und ward eine Mühlmaus genannt.
Es war auch auf besond're Art
Mit einer Wieselhaut verwahrt,
Die war mit Spangen so besetzt,
Daß es darunter blieb unverletzt.
Die andern Fürsten, Grafen, Herren,
Die dem König zogen zu Ehren,
Hatten sich nicht minder gerüst't,
So gut als jeder konnt' und wußt';
Wär' hier viel zu lang zu beschreiben,
Wir lassen's der Kürze halber bleiben.
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71
Das fünfzehnte Kapitel.
Von der Mäuse Schlachtordnung.
Nun ward ernstlich daran gedacht,
Wie man ein' gute Ordnung macht.
Vom Berg herab den Vortrab haben
Sollt' mit den muth'gen Schweizerknaben
Der Hauptmann über die Landsknecht',
Milchrahmlecker mit allem Recht'.
Herr Stolzer das Hauptfähnlein führt'
Und schwang's herum, wie sich's gebührt.
Es war als Wappen im grünen Feld
Aber ein Milchkühel hingestellt,
Und darüber drei weiße Käs',
Der Reim: IN HOC SIGNO VINCES ! * * In tielem Zeichen siegen wir.
Es war aber also gemeint,
Daß die Schützen reizten den Feind,
Von dem See aufbrächen weit,
Und danach sich theilten zur Seit',
Daß der König durch ihre Mitt'
Unverhofft nehm' den Antritt,
Die Feinde mächtig dann angriff',
Und mit ihnen bergunter lief'.
Darum folget nach dem Anzug
Mit schwarzen Reitern Fürst Forklug,
Und dann der König in Person.
Des Reiches Fahne mit goldner Kron'
Und dreiköpfiger Fledermaus
Ward geführet weit voraus
Vor des Königs tapfrer Leibgard'.
72
Darauf folgte die deutsche Art
Der braunschweigischen Hofeleut',
Die war'n vertröst't auf reiche Beut';
Ihr Oberster, Fürst Reismehlsack,
Dünkt ihnen ein guter Vorschlag;
Eine Semmel, Knackwurst, eine Kanne
Hatten sie gemalet in der Fahne ;
Der Reim: Nach einem guten Trunk
Wagt mancher Held ein'n hohen Sprung.
Herzog Würstlieb war im Nachtrab,
Führt' die Pommern zur Seite ab,
Mit Fürst Schinkenfraßens Beistand
Und vielen Andern ungenannt,
Mit Schluckbruder, der kühnen Maus,
Und ihrem Fähnrich, dem Saufaus,
Auch Herrn Mostwein mit seinen Knaben, —
Sahen so freundlich wie die Raben. —
Ihr Wappen war ein Birkenmeier,
Ein Schinken und neun Ostereier,
Der Reim aber: Was Hirsch, was Hinde!
Man ehr' die Sau mit ihrem Kinde!
Die Deutschen hielten sich zur Recht',
Zur Linken französische Knecht';
Drei Liljen waren in dem Fähnlein,
Dabei ein Hahn mit diesem Reimlein:
Zwei Dinge prangen froh herein,
Die Lilj' am Wasser, der Mann beim Wein.
Vornehmlich ging ein großer Mann
Unter den Deutschen vorne an,
Beishart, der Mäuse Herkules,
Darum ich seiner nicht vergess'.
73
Sein' Sturmhaub' war ein' Hirschgestalt,
Die er denn zuvor mit Gewalt
Ein'm Schröter (Käfer) von dem Kopf gerissen,
Das Hirn inwendig ausgebissen,
Und die Hörner stehen lassen;
Stand gar erschrecklich Übermaßen.
Um Leib trug er ein weiß Hermlein (lin)
Mit einem schwarzen Schwänzelein,
Und von einem Hasenbein die Keule,
Gleich einer marmelsteinern Säule.
Brockenfraß war auch seines Gleichen,
Der keinem Maulwurf wollt' ausweichen.
Er hatt' die ganze Nacht gesessen
Und einen Beutel durchgefressen,
Und den als Harnisch angethan,
Der Kopf mußte zum Boden nausstahn (stehn),
Die Händ' durch, beide Seiten griffen;
Die Mäuse selber vor ihm liefen.
Dem folgt Stückeldieb, ihr Gesell,
War nicht allein an Füßen schnell,
Sondern hat auch starke Hände,
Daß er durchbrach alle Wände;
Hat über'm Hals bis zum Ellbogen
Ein rauhes Schweinsohr angezogen,
Und auf dem Haupt ein'n Schuh vom Schwein,
Unter dem Hals verbunden fein;
Der wollt' ganz unbewehret gehen,
Mit bloßer Faust den Kampf bestehen.
Auf allen Seiten im Hinterhalt
Waren die Westphalen bestallt,
Führten im Fähnlein einen Kranz,
74
Wie die Mägdlein haben beim Tanz;
In der Mitt' ein Herz mit Ohren,
Wie an den Kappen tragen die Thoren.
Der Reim: Um schöner Mägdlein Kranz
Mein Herz im Scherz wagt eine Schanz'.
So zogen sie nach einander an
Mehr als zehnhunderttausend Mann.
Das sechszehnte Kapitel.
Friebliebens Aufzug.
Als diese Ordnung war bestellt,
Kam auch gezogen auf in's Feld
Ein alter Fürst, Friedlieb sein Name,
Vom Magdeburger Sachsenstamme,
Daß er sich ließ beim Konig werben;
Er wollt' mit siegen oder sterben,
Und wartet' nur auf sein'n Befehl,
Wo er sollt' haben seine Stell'.
Der König antwortet im Zorn:
„Friedlieb, zieh' hin zum kalten Born,
Da ist Fried', aber hier ist Streit;
So bleibst du von Gefahr befreit!"
Der Gesandte verstand es nicht,
Und bracht' Friedlieben den Bericht,
Er sollte, das wäre des Königs Wille,
Beim kalten Borne halten stille.
Damit zog Friedlieb hinten weg
Nach des kalten Borns schmalem Steg.
So hieß am Ufer eine Goss',
Woraus die Quell' zum See hinfloß.
Er hatte aber drei Reiterfahnen
75
Und zehn Fähnlein Landsknecht' beisammen,
In vielen Kriegen wohlversucht,
Obgleich keiner „Potz Marter" flucht.
Die Reiter führten Spieß und Schwert,
Ihre Bogen hingen an dem Pferd,
Die Köcher hinten an dem Rück,
Die Schild' am linken Arm zurück.
Eine rothe Burg war ihre Fahn',
Darauf sah man erhaben stahn
Eine Jungfrau in ein'm grünen Kleid,
Die zeigt ein Kränzlein wohlbereit't
Vom Blümlein Jelängerjelieber.
Ganz oben aber war darüber
Mit großen Buchstaben bedeut't:
Um diese Maid ist all' Arbeit.
Der Knechte Fähnlein war ein' Ros',
Im weißen Feld gesetzet bloß,
Mit einem besondern Reimgedicht:
Wer Rosen bricht, sich leichtlich sticht.
Damit man auch an allem End'
Seine Krieger vor andern kennt,
Bei finst'rer Nacht insonderheit,
Wenn die erreicht der späte Streit,
Fürst Friedlieb noch letzlich wollte,
Daß jeder ein Hemd tragen sollte
Ueber die Rüstung angethan,
Daß sie würden weiße Mann.
Da sie nun also einherzogen,
Gegen die Andern sehr abstachen,
Mußten sie, wie alberne Thoren,
Gar einfältig Gespött anhören.
Friedlieb sagt' darauf kein Wort,
76
Zog ungesäumt an seinen Ort,
Gedacht: „Ihr sollt erfahren recht,
Ob wir sind Mägdlein oder Knecht'."
Das siebzehnte Kapitel.
Von der Mäuse Schiffsrüstung.
Nach dieser Rüstung ward bedacht,
Wie man es auf den Nothfall macht,
Wenn etwa Eine in's Wasser käme,
Daß sie da nicht ihr Ende nähme.
Nämlich Die, so waren gebor'n
In Lastseeschiffen bei dem Korn,
Des Schiffs Gewohnheit und der See,
Was dazu gehört, gelernet meh (mehr),
Die sollten in Schiffen aufwarten,
Zusehen, wie sich die Händel karten,
Und in der Noth mit Hilf erscheinen,
Damit der Mäus' ertränken keine.
Dazu waren sie willig bereit,
Machten zwölf Schiffe in kurzer Zeit
Von weiten, langen Kürbisschnitten,
Nach der Länge getheilt inmitten,
Und fein meisterlich ausgehauen;
Waren wie Schiffe anzuschauen.
In jedes stiegen dreißig Mann,
Hatten Piken und Büchsen an,
Und Rautenkränz' auf ihrem Haar,
Hellbarten, Beile (keine Schwerter gar),
Von Lampen Gläslein abgeknickt,
Und in ein Hölzlein eingestickt.
Ihre Ruder waren breit' Hölzlein,
Die sie mit Speck genommen heim
77
Aus den Mausefallen, zum Verdrieß (Verdruß) i
Die Krücken lange Vogelspieß'
Aus Schindelholz glatt abgeschnitten,
Darauf ihre Söhnlein ritten.
Die Steuerhölzer waren recht frische
Harte Schwänz' von gebratnen Fischen,
Aus Vorlegtüchern Segel zart,
Die sie in langer Zeit gespart.
Sonst hatten sie geladen schwer
Viel Tausend Steine zur Abwehr,
Giftpulver, Dornen, Distelkeulen,
Den Fröschen zu schlagen viel Beulen.
Ihr Gubernator Achtseinnicht
Wußte gar viel alter Geschicht'
Von Seekriegen, Freibeuterei;
War oftmals gewesen dabei,
Da man einander auf den Nacken
Mit Handbeilen pflegt zu hacken,
Und frech zu stürzen über Bord;
Davon sprach er viel kluge Wort'.
Ueber das erste Schiff hatte Befehl
Der Luginsloch, war etwas scheel;
Das andre führet Schmeckebart,
Seiner Geburt jüdischer Art;
Das dritte regiert' Riechdenwind,
Ein wunderseltsam muthig Kind,
Konnt' untertauchen bis zum Grund
Wie ein Fisch und wilder Seehund;
Wenn man ein'n Groschen in's Wasser warf,
Fand er ihn wieder, sah so scharf;
Das viert' Beisharibrod wohlgemuth,
Ein Mann zu allen Dingen gut;
78
Er konnt' wohl steuern und wohl fahren,
Hatt' es gelernt in jungen Iahren;
Mit dem fünften kam Hintermutz,
Konnt' einem Wolfe bieten Trutz;
Strohknicker, der seltsame Kumpan,
Mußte das sechste Schifflein han; —
Kein Strohdach war gebaut so fest,
Er macht' darin sein Mäusenest.
Apfelschmack der siebente war,
Hatt' auf dem Haupt kein einzig Haar,
Der Wind hatt' sie hinweggenommen,
Nachdem er war aus Frankreich kommen;
Nach ihm folgte der Rindenfuchs,
Hatt' ein Pelzlein wie ein Luchs;
Und dann Schmierback und Erbsenfex,
Und Fornekuß und Hintenlex.
Die fuhren mit einander ab
Gar schleunig und in vollem Trab,
Sechs Schiffe vorn, sechs hintennach.
Der Gubernator wohl zusah,
Und ließ deshalb inmitten gahn
Seinen indianischen Nußkahn,
Worin er hatt' vier starke Knecht',
Die konnten den Kahn führen recht.
Sie rücketen am Ufer fort
An einen gar verborgnen Ort.
Also waren die Mause gerüst't,
Wie man auf's Allerbeste wüßt',
Und sandten Kundschaft, zu erfahren,
Wozu die Frosch' gesinnet waren.
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79
Das achtzehnte Kapitel.
Der Frösche mancherlei Rüstung.
Die Frosch' nahmen ihr' Sach' in Acht,
Rüst'ten sich auch mit aller Macht.
Mit Schilf sie ihre Bein' einkleid'ten,
Von Seeblumen Harnisch' bereit'ten,
Ihr Schild war ein rundes Blatt,
Ihr Spieß eine Bins', die ein' Spitz' hat,
Ihr Helm ein buntes Schneckenhaus;
Also putzten sie sich 'raus;
Und dieß für den gemeinen Mann.
Die aber wollten vorne an
Und machen, daß den Mäusen graut,
Trugen Fisch- oder Schlangenhaut,
Große Keulen von Wassernüssen,
Die Mäuse damit zu begrüßen.
Andre hatten aus Fischgräten
Bogen, künstlich krumm getreten,
Darauf legten sie scharfe Spitzen,
Wie den Fischen am Rücken sitzen.
Sie brachen auch fein in der Mitte
Die Muscheln in längliche Schnitte,
Wie ein zweischneidig Glas gehört;
Das wurden scharf' glänzende Schwert,
In einer Rohrwurzel verwahrt,
War ein' besondre Scheidenart.
Vor Allen sah König Bausback
Also daß man vor ihm erschrak,
Daß selbst den Fröschen vor ihm graut'.
Er trug ein' grün' Eidechsenhaut,
Die hing vom Kopfe bis zur Erd',
Und war für Schuß und Stich bewährt,
80
Darauf er eine Schlangenkron' führt',
War für den Fall auch oft probirt.
Am Hals hatt' er einen Perlenkragen,
Einen Perlengürtel um den Magen,
Ein Schwert von einer Perlenmutter
In einem langen Schneckenfutter;
Der Schild eine ganze Perlenschal',
Deren man findet zwei zumal.
Darin war künstlich eingegraben,
Und mit Farben schön erhaben,
Ein Biber, der sich sehen ließ,
Als war' zugleich er Hund, Frosch, Fisch.
Durch dieses Bild wird angedeut't
Die Wundernatur der Frofchleut',
Die beides,' zu Wasser und zu Land,
Mit Schwimmen und Hüpfen sind bekannt,
81
Und doch nicht stumm sind wie die Fisch',
Sondern rufen und bellen frisch.
Man zog ihm auch hervor sein Roß,
Schön bekleidet mit gold'nem Moos,
In einen Panzer zusammengedreht,
Das rauscht, wenn sich das Pferd bewegt;
Darauf sich König Bausback satzt',
Und that drei Luftsprüng' auf dem Platz,
Nahm seinen langen Binsenspieß,
Den er seinem Herold tragen ließ,
Und sprach: „Wenn ich den Mauskönig hätt',
Und er mich gleich um Gott's Will'n bät',
Wollt' ich ihn mit dem Spieß durchstechen,
Und die Spitz' im Herz abbrechen!"
Desgleichen sagten die andern Herren,
Sie wollten all' sich männlich wehren.
Das neunzehnte Kapitel.
Der Frösche Schlachtordnung.
Des Königs Rath ward auch bedacht
Und die Schlachtordnung so gemacht,
Daß in der Mitt' die leichten Knaben
Sollten den Stand und Angriff haben;
Zur Seite aber die schwergerüst'ten,
Die mit den Mäusen zu ringen wüßten.
Hauptmann Mohrtanz sollt' vornean
Mit drei Fähnlein zum Angriff stahn,
Die alle Bogenschützen waren
Und im Steinwerfen wohlerfahren,
Aus Holland und Seeland angekommen,
Als sie den neuen Krieg vernommen.
Das Hauptfähnlein war ein Seeblatt,
Drei Häringsköpf' im Wappen hat,
82
Der Reim: Willst du Ehr' davon tragen,
So mußt du den Kopf daran wagen.
Darauf trat Rülinger herfür,
Der war der Andern Ehr' und Zier.
Dem folgten in der Mitt' die Schützen,
Die Steinewerfer zur Seit' herstürzten.
Fürst Wasserfreund sollt' sie regieren
Und zu dem Feinde hinanführen.
Nach diesem sah man ziehen an
Zur rechten Hand den Oberst Ran
Und etlich' Tausend frisische Frösch',
Davon ein jeder faß zu Roß,
Führten lange Spieß' und kurze Degen,
Hielten sich wunderlich verwegen.
Ein weiß' Milchtuch war die Fahn',
Das eine Kühmagd hat fallen lan (lassen);
Das Wappen ein Nothkäferlein,
Der Reim: Fliehe, oder du bist mein!
Zur linken Hand zog auch daher
Der Feldmarschall mit seinem Heer,
Fürst Mordachs mit den Reiterknaben,
Die gekommen war'n aus Schwaben,
Führten Schwerter, Armbrust und Hammer,
Wollten den Mäusen bringen Jammer.
Ihre Fahne war ein Schnupftuch,
Das ehemals ein Schön Mägdlein trug;
Das Wappen ein rother Regenwurm,
Der Reim: Der Wurm erhält den Sturm.
Hinter diesen folgt' die Blutfahn',
Gemalt vom wilden rothen Mann;
83
Darnach rückt der König herbei
Mit seiner starken Leibgardei,
Darunter viel Schweizer aufwarten
Mit Degen und mit Hellebarten;
Die führt Makron, ein tapf'rer Mann,
War auch sehr schön angethan.
Auch war da mit Keulen bestellt
Aus Ditmarschen manch' starker Held;
Darnach mit Gürtelbeil und Krücken,
Die wohnen an der Seestädte Brücken;
Endlich die engländischen Schützen
Mit ihren wattmannischen Mützen, —
Bis man die oberste Hauptfahn'
Auch sah vor dem König hergan:
Eine goldne Haut von einer Schlangen,
Daran sah man ein Wappen hangen,
Drei gelbe Wasserlilien fein
Im blauen Feld, mit diesem Reim:
Wer diese Blumen frisch will sehen,
Der muß, darnach in's Wasser gehen.
Der König auch beschützet ward
Von Fürst Watarachs und Quadrat,
Die aus der Mark, Kassuben, Wenden
Und aus des Havellandes Enden
Viel Reiter und viel Knecht' mitbrachten
Und den König stolzmüthig machten.
Zuletzt nach Allen kam gelaufen
Mancherlei Volk in großen Haufen
Aus Brabant, Holland, Polen, Reußen,
Aus Liefland, Kurland und aus Preußen,
Die sollten Spieß' und Gabeln brauchen,
Die Mäuse in's Seewasser tauchen,
Bis alle würden umgebracht:
So ward der Frosch' Ordnung gemacht.
84
Das zwanzigste Kapitel.
Von der Frösche und Mäuse Kundschaft
Wie sie hatten also Raum,
Kamen zwei Laubfrösche von dem Baum,
Zeigten an, daß zur Linken am See
Ein sonderlich weißes Kriegsvolk steh'.
Darauf Fürst Quadrat von Stund an
Herunter schickt zwei kluge Mann,
Taucher und Ködderitz mit Namen,
Die unterm Wasser dahin kamen,
Wo Friedlieb mit den Seinen wacht
Und hielt sein' Sach' in guter Acht.
Als nun Friedliebens Wacht gesehen,
Daß Frösche aus dem Wasser gehen,
Im langen Grase heimlich schleichen,
Will sie nicht vor ihnen weichen;
Sondern rückt sich auch in's Gras
Und verläuft ihnen den Paß,
Ergreift sie endlich alle Beid',
Friedlieb erfäbrt von ihn'n Bescheid,
85
Wie die Frosch' ihre Ordnung gemacht,
Wie sie zu siegen sind' bedacht, —
Laßt Alles auch dem König sagen,
Daß er sich nicht so bald soll wagen
Den flücht'gen Fröschen zur Nachjagd,
Daß er nicht werd' in Noth gebracht.
Der König antwortet mit Spott:
„Wenn gegenwärtig ist die Noth,
So will ich sein Bedenken fragen;
Er soll nicht unnütz Sorge tragen."
Da ließ es Friedlieb auch geschehen,
Gedacht', wie er wollt' weislich sehen,
Daß er den Fröschen Abbruch thät',
Und die Mäus' aus Noth errett'.
Darum er die Kundschafter mehr
Ließ fragen und auch plagen sehr,
Bis er von ihnen ward bericht't,
Die Frosch' wollten zum Berge nicht,
Der am See gen Abend lag:
Denn darauf noch am frühen Tag
Viel Krähen und viel Geier gesessen,
Als wollten sie die Frösche fressen;
Es hätt' auch zuvor die Schildwacht
Gesehen in der dritten Nacht
Vom Berg abstürzen viele Flammen,
Dazu ein großes Volk beisammen
Unsichtbar auf einander rannt',
Daß erbebt' das ganze Land. —
Darum hielten sie allzumal
Unten im geraumen Thal,
Allwo der See zur Linken stand,
Aber der Berg zur rechten Hand,
Woher hernach auch weht der Wind,
86
Und die Sonn' am Abend verschwind't:
Da wollten sie des Feindes warten
Und mit ihm wechseln die Hellbarten.
Indeß kamen die Maus' heran,
Unzählig viel der kleinen Mann,
Zogen von Morgen nach Mittag,
Zu versuchen diesen Vorschlag,
Wie sie von da könnten fortrücken,
Und die Sonne haben im Rücken,
Den Berg zur Linken gegen den Wind,
Daß man sie nicht umringen künnt';
Daß sie von der Höh' führen ab,
Den Feind umliefen in einem Trab.
Den Vortheil doch die Frösch' nicht gern
Auf ihrer Seite wollten entbehr'n,
Mochten doch nicht den Berg 'nangehen,
Auf dem sie böse Zeichen gesehen;
Wankten derhalben hin und her,
Zu warten, wie's am besten wär'.
Bis daß der Mauskönig abgesandt
An den See zu der Frösche Stand
Einen Trompeter, einen edlen Knaben,
Ließ auch sechs Trabanten mittraben,
Zu fragen, was Bausback gemeint
Mit Denen, welche von dem Feind
Gefänglich wurden weggenommen,
Ob's Blut gelt', oder Ranzionen?
Die Frösche schrieen: „Keine Gnad' !
Jeder den Tod zu erwarten hat,
Er war' erschlagen, oder gefangen,
Er foll ersaufen, oder hangen!"
Der Knabe bracht' dem König Bericht;
87
Der sprach: „Es soll dem Bösewicht
In ein paar Stunden schon gereuen;
Mit Worten laß ich mich nicht scheuen.
Wer am meisten pocht', der kroch
Gemeiniglich zuerst in's Loch!"
Bald ward des Staubes immer mehr,
Als wenn's ein dicker Nebel wär',
Und zog ein jeder Haufen fort
An den zur Schlacht gewählten Ort.
Die Frösche rückten vom Wasser her,
Als wenn's der Moses selber wär'
Und von neuem auf Gottes Befehl
Durchs Meer führt das Volk Israel,
Da Mann, Weib, Kind und Vieh mitliefen,
Wunderlich durch einander riefen.
Die Mäuse aber gingen still,
Und machten des Lärmens gar nicht viel,
Rauschten nur heimlich mit den Wehren,
Nie die wachsenden Kornähren,
88
Wenn sie der Wind herniederschlägt
Und wieder in die Höhe regt;
Daß, wo man nur das Aug' hinwandt',
Da lebt' und bebt' das ganze Land;
Daß auch die Vögel, die ohngefähr
An denselben Ort zogen her,
Davor sich entsetzten dermaßen,
Daß sie ihre Straße mußten verlassen,
Und aus dem nächsten Wald mit Grauen
Diesem Wunderhandel zuschauen.
(Ende des zweiten Theils.)
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89
Dritter Theil.
Von der Frösche und Mäuse erschrecklichen
blutigen Schlacht.
Das erste Kapitel.
Der Frösche und Mause Fußfall und Ermahnung
an die Kriegsleute.
ald kamen der Herolden zween,
Ließen die Blutfahnen sehen.
Die Mücken kamen auch gezogen,
Ueber beiden Heeren geflogen,
Hatten große Posaunen alle,
Und bliesen drein mit lautem Schalle.
Das Wetter schlug auch tapfer drein
Mit Donner und mit Blitzes Schein,
Was gar ein böses Zeichen war
Und den Kriegern droht' Gefahr.
Wie sie aber waren so nahe,
Daß ein Haufen den andern sahe,
Thaten ein'n Fußfall die Mäus' allgemein,
Daß Gott wollt' ja ihr Beistand sein;
Worauf sie denn Herr Zuckermund,
Ihr Priester, wohl vertrösten kunnt'.
Der König in selbsteigner Person,
Führt' auf der Sturmhaub' seine Kron'
90
Und sprengt mit seinem Hengst hinan,
Redet den hellen Haufen an:
„Liebe Helden, liebe Kriegesleute,
Eure Treu' wollt ihr bedenken heute,
Den Feind angreifen wie tapfre Mann,
Der Sieg gewiß nicht fehlen kann.
Gott mein's Sohn's Mord bezahlen soll,
Weil sie die Straf' verdienet wohl!"
Sie riefen all': „Wir folgen gern,
Wollen uns wie die Helden wehr'n!"
Die Frösche thaten desgleichen auch,
Streckten sich auf den kalten Bauch,
Baten, weil die Mäus' aus Hofsart
Und böser teufelischer Art
Sie ohne Schuld wollten ermorden, —
Wie vom Konig berichtet worden, —
Wollt' er als ein gerechter Gott
Sie hüten vor unschuld'gem Tod
Und sie in Nöthen nicht verlassen;
Sondern die Räuber auf den Straßen,
Die diebischen Mäuse erschrecken und jagen,
Daß sie sie möchten alle erschlagen.
Ihr Pfarrer tröst't sie unterwegen,
Sprach ihnen Absoluz und Segen
Von einem hohen Baum am Rand,
Bei dem sie austraten an's Land.
Herr Laubfrosch mit feinem grünen Kleide
Kroch hernach in ein' hohle Weide,
Darin wollt' er die Hora's lesen;
Bei Schlangen däucht' ihm nicht gut Wesen (sein).
Der König aber, Bausback genannt,
Mit Grünrock, seinem Lieutenant,
91
Und den Befehlshabern mehr
Zog herum bei dem ganzen Heer,
Sprach auch die Krieger tapfer an:
„Frisch auf", sprach er, „ihr lieben Mann!
Und fasset einen Heldenmuth,
Nun soll'n all' Sachen werden gut!
Schlaget nur weidlich in den Haufen,
Daß der Schelmen keine entlaufen.
Sie ziehen schon auf uns heran.
Nun haltet euch wie tapf're Mann!
Ihr sollt bleiben nicht unbegabt,
Wenn ihr den Feind erschlagen habt!"
Sie riefen: „Jo, jeck, jick, jeck, ja,
Darum sind wir jetzt Alle da!"
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92
Das zweite Kapitel.
Des Mäusekönigs Erbieten gegen die Frösche
und ihren König.
Wie nun also in wenig Stunden
Die Heere sich gegenüber funden,
Und jetzt wollten zusammengehen,
Wollt' Jeder seinen Mann bestehen,
Stampft mit den Füßen, fäustet die Händ'
Und seinen Feind verachtet und schänd't;
Als wenn zwei Ochsen sich erbosen,
Ungestüm auf einander stoßen
Und zuvor mit grimmigem Gesicht
Dastehen gegeneinander gericht't,
Die Erde scharren, die Hörner wetzen,
Den Schwanz mit einem Brumm aufsetzen,
Messen zu, wer soll anfangen,
Wie sie den Feind wollen empfangen.
Da schickt' der Mäusekönig heran,
Und ließ den Fröschen zeigen an
Durch Frischblut, seinen Lieutenant,
Der mit Trompeten kam gerannt:
Nicht mit allen Froschgeschlechten
Wollt' er rechten noch und fechten,
Ihr König allein an dem Ort
Hätt' seinen lieben Sohn ermord't;
Wenn der seinen Sohn wiederstellt
Als Ranzion und Lösegeld,
Daß dieser nun auch sterben müßt',
So wär' die Missethat gebüßt.
Wäre ihm aber dieß nicht gelegen,
So war' der Mäusekönig zugegen,
Wollt' einen Kampf mit ihm drum halten,
93
Man sollt' allein sie lassen walten.
Was sollt' ein Freund den andern spießen,
Ohn' Noth unschuldig Blut vergießen! —
Obgleich diese Rede Etliche acht'ten,
Daß sie billig wär' zu betrachten,
So rief doch unsinnig der Hauf:
„Immer fort, nun renn', nun lauf' !
Wirf, schlag und stich den Schelmen todt,
Daß er bekomm' Verräther-Brod!"
Damit fing sich der Lärmen an,
Jeder schoß und warf auf den Mann,
Daß er mit Noth entrinnen kunnt'
Und sich zu seinem König fund.
Der ergrimmte und ließ aufblasen;
Die Feinde thaten gleichermaßen.
Nun griffen also beide Heere
Mit großem Getümmel zur Wehre.
Das dritte Kapitel.
Wie die Frösche und Mäuse zusammentreffen.
Als sich der Lärm also anfing,
Das Kriegsvolk frisch zusammenging,
Gleich wenn das Eis mit einem Knall
Im großen Sturm bricht überall :
So war Mohrtanz und seine Mann
Mit Stein und Pfeilen tapfer dran,
Warfen von sich, schleuderten, schossen,
Es fiel so dick wie Hagelschloßen,
Und kam mancher Maus auf den Rücken,
Daß sie die Nas' in's Gras mußt' bücken.
Das span'sche Weißfähnlein macht' auch
Den Fröschen einen bösen Rauch;
94
Aber das Schwarzfähnlein blieb aus,
Das kostet manche stolze Maus,
Denn es hielt zwischen Pferd' und Berg,
Stieg nach der Linken auf die Zwerg' (Quere),
Und konnt' nicht brauchen sein Geschoß,
Was Milchrahmleckern sehr verdroß,
Rief: „Halt't alle Schild' aufwärts,
Daß euch nicht das Geschoß gefährt't.
Eilt muthig auf den Feind hinein,
Sonst wir allsammt verrathen sein!"
Damit lief er zum Feind hinan,
Fähnrich Stolzer, der kühne Mann,
Setzt mit den Doppelsöldnern nach,
Und hoffet schon gewonnene Sach'.
Die Schützen flohen nach dem See,
Das bracht' den Mäusen großes Weh;
Denn als die Frosch' kam'n an den See,
Gefiel ihnen die Flucht nicht meh (mehr),
Sondern wichen zur linken Hand
Hinter den Berg in's sichre Land
Und ließen der Mäuse hellen Haufen
Vom Ufer bis an's Wasser laufen.
95
Da empfing sie der Hinterhalt,
Daß ihnen's Herz im Leib erkalt't;
Riefen: „Ihr Kuhmelker, willkommen!
Eur' Ankunft hab'n wir gern vernommen;
Nun geht mit Freuden in das Bad,
Dazu euch lang' geschwitzet hat!"
Da blieben viele Mäuse todt,
Oder kamen in Wassersnoth,
Daß sich's nicht anders ansehn ließ,
Als hätten die Frosch' den Sieg gewiß;
Drum etliche schon riefen da:
„Quak, quok, quuk, quek, quiktoria!"
Das vierte Kapitel.
Wie dem Apfelschmack seine Schifffahrt gerathen sei.
Zuletzt kam Apfelfchmack daher
Mit seinem Schiff zur Gegenwehr.
Wie der nun zeitig ward gewahr
Das Unheil, daß der Mäuse Schaar
In's Wasser plumpt mit einem Hauf',
Zu Hilf' er kommt in schnellem Lauf;
Gibt noch Befehl den andern Schiffen,
Daß sie auch bald hieher liefen.
Mit einem Wimpel, das sehr hoch
Oben am Mastbaum umherflog,
Zum Fähnrich Stolzer eilt er risch (rasch),
Der da schwamm wie ein Wunderfisch
Bei den Mäusen im großen Haufen
Und konnt' den Fröschen nicht entlaufen,
Die alle wollten auf ihm liegen
Wie auf dem Honigtopf die Fliegen.
Wie aber die Frösche ungefähr
Das seltsam Schiff sah'n kommen her
96
Mit seinem Segel und den Kränzen,
Die Schiffsleute mit langen Schwänzen:
Da ließen sie den Fähnrich liegen,
Eilten davon, als könnten sie fliegen,
Meinten, es wär' ein wilder Drache,
Der erschienen war' zur Rache.
Das war den Mäusen ein Vortheil;
Apfelschmack fing in großer Eil'
Mit einem Haken den Fähnrich,
Zog ihn auf das Schiff zu sich,
Sein Beistand war auch fleißig dran,
Die Mäus' beim Schwanz zu halten an,
Daß keine siele über Bord
Und würden von der Fluth ermord't.
Indem kam Wulfstreifer gegangen,
Fing das Fähnlein auf bei der Stangen,
Das er auf dem Schiff liegen ließ,
Den Froschen allen zum Verdrieß (Verdruß);
Bis Stolzer auswarf seinen Trank,
Daran er war gar tödtlich krank.
Es war da weder Rast noch Ruh';
Alles steuert dem Fähnlein zu,
Was noch im See behielt das Leben.
Ein Jeder verhieß viel zu geben,
Wenn Apfelschmack ihn nehmen würde.
Damit wuchs des Schiffleins Bürde;
Und zu der Zeit hingen daran
Roch über die dreihundert Mann,
Die alle wollten zu ihm hinein.
Die im Schiff' ließen es nicht sein,
Baten himmelhoch, daß sie blieben,
97
Bis andre Schiffe herantrieben;
Sonst würden sie alle zugleich ermorden; —
Aber man glaubt' nicht ihren Worten.
Die andern Schiff' eilten ungeheuer,
Doch eh' sie ihnen kamen zu Steuer,
So ging der Apfelschmack zu Grund;
Das Schifflein nicht mehr tragen kunnt'.
Da erhob sich ein Jammergeheul,
Wünschten dem Achtseinnicht viel' Beul',
Daß er sie also ließ ertrinken,
Mit Schiff und allem Heil versinken. -
Da schwamm das Kränzlein und der Mann,
Das Fähnlein auch vorne daran.
Die Frösche aber nahmen's in Acht,
Und sprangen wieder zu mit Macht,
Das Fähnlein wieder hin zu rücken,
Die Schwimmenden zu unterdrücken;
Wie es im Kriege pflegt zu gehen:
Unglück pflegt hinter'm Glück zu stehen.
Das fünfte Kapitel.
Wie der Mäusekönig umringt ward.
Als nun der Mäus'könig vermeint,
Daß aus Furcht entwich der Feind,
Rückt er freudig, ohn' alle Sorgen
Des Padran's Reitern zu gen Morgen.
Indessen kommt von linker Hand
Der Mordachs trotziglich gerannt,
Und wendet sich mit seinen Leuten,
Padran genüber zur andern Seiten,
Bis sie den Mäusekönig umringen,
Und mit Gewalt auf ihn eindringen,
Ob sie ihn da könnten erschlagen,
98
Oder in'n See zu Grabe tragen.
Da waren die Frösche herzlich froh,
Daß es nach ihrem Wunsch ging so.
Als wenn die Hund' ein'n wilden Bären
Umringen und gar weidlich zerren,
Also setzten sie ihm zu,
Und ließen ihm gar wenig Ruh'.
Wie manche Maus von Herzensgrund
Wünscht', daß sie doch daheim gesund
Wiederum sitzen möcht' im Nest,
Wollt' sagen: „Ich bin da gewest;
In Krieg da geh' ich nimmermehr,
Und zürnt' der König noch so sehr!"
Viel riefen: „Ach mein Mütterlein,
Wüßtest du deines Sohnes Pein,
Du würdest blut'ge Thränen weinen!
O, wer geblieben wär' daheimen!
Gott tröst' mein Lieb', die schöne Maus,
Wenn ich nicht wieder komm' nach Haus!"
Ja, die sehr stark und jung von Jahren
Und die Allermuthigsten waren,
Die alle Frosch' allein wollten fressen, —
Hatten ihres Muth's vergessen,
Standen rathlos und verzagt;
Keiner dem König zu helfen wagt.
Mordachs wär' auch ganz durchbrochen,
Und hätt' den Mäus'könig erstochen,
Wenn nicht des deutschen Fußvolks Macht
Ihr Regiment hätt' hergebracht,
Und ihnen widerstanden hätten;
Wie die Franzosen bei Padran thäten.
Der Schluckbruder fuhr so gar wild,
Daß er den Mordachs aufhielt,
99
Und seinem Roß ein Bein abschlug,
Dadurch es bekam seinen Fug (Theil),
Und mit dem Reiter fiel darnieder.
Und ob Mordachs auch gleich bald wieder
Gesetzt ward auf ein ander Roß,
Hielt ihn doch auf derselbe Stoß,
Und macht', daß er kein'm Andern flucht,
Auch keinen als Schluckbrudern fucht,
Der seiner aber nicht warten kunnt',
Sondern eilet hindurch zur Stund'
Mit seinem muthigen Beistand,
Hin, wo Mordachsens Fahn' er fand,
Ob er derselben ein' ergriff,
Wohin ihm Jeder nachritt und lief,
Und so der König frei könnt' werden
Aus dem Angstgedränge und Beschwerden.
Als dieser nun die Fahn' begehrt,
Hätt' sich der Frosch' Herz bald umkehrt,
Wenn nicht Mordachs wär' selbst ankommen,
Und sich des Lärmens angenommen.
Der auf Fähnrich Saufausen rannt',
Und hieb ihm ab die rechte Hand,
Daß sein Fähnlein zu Boden ging,
Das er mit der linken auffing,
Und hielt's männlich wieder empor,
Ob er gleich eine Hand verlor.
Die Doppelsöldner nahmen's in Acht,
Schlugen um sich mit aller Macht,
Daß bei dem Mordachs viel Froschreiter
Abfielen wie gemeine Kräuter;
Insonderheit die muth'gen Helden
Mückenfahrer und Fleuchdiekälte,
Die Schmeckbilder mit dem Schlachtschwerte
Wie die Kornähren hieb zur Erde.
100
Der Schluckbruder kriegte auch in Eil
In's linke Aug' ein'n scharfen Pfeil,
Als er sah nach der Reiterfahn';
Blieb doch ein unverzagter Mann,
Warf den Pfeil mit dem Aug' hinweg,
Sprach: „Der hat getroffen den Zweck!
Ich will die Frösche auch nicht fehlen
Und ihnen die Köpfe so verkeilen,
Daß ihn'n Seh'n und Hören vergehe,
Dieweil ich mit einem Aug' noch sehe!"
Bald ihn Fürst Mordachs hier erblickt,
Und sich mit seinem Spieß anschickt,
Spricht: „Find ich dich, du loser Mann?
Sieh, das sollst du zum Trinkgeld han!"
Hofft ihn zu durchrennen gewiß.
Schluckbruder schlug ihm aus den Spieß,
Daß er kein Leid davon empfing,
Sondern durch Küchdiebs Kehle ging,
Der hinter ihm stand im Gedränge,
Und für todt hinfiel in der Menge.
Er sprang aber zum Mordachs wild
Und sprach: „Halt! Mein's nun wieder gilt!"
Und hieb auf ihn ein mit dem Schwert,
Daß Mordachs beinah' stürzt' vom Pferd;
Aber der Schild war fest und hart,
Daß er gar nicht verwundet ward,
Sondern das Schwert in Stücke sprang.
Mordachs säumet sich auch nicht lang
Und zog seinen Säbel herfür.
Auf daß er ihn damit nicht rühr',
Fuhr Schluckbruder in großer Eil'
Den Mordachs an gleich wie ein Pfeil,
Hin auf das Roß, faßt' ihm die Kehle;
101
„Nun", sprach er, „befiehl Gott die Seele!"
Indem stürzt das Roß im Trab
Und wirft sie zugleich mit ab;
Mordachs stieß ihm den Kopf,
So viel er konnt', mit dem Säbelknopf,
Bis er seines Dolchs gedacht',
Setzt' ihm den in die Seit' mit Macht,
Den Schluckbruder nicht lange stecken ließ,
Sondern Mordachsen in die Gurgel stieß.
Indeß wüthet zu beiden Seiten,
Was dabei war von ihren Leuten,
Daß ihrer viel am selben Ort
Zugleich mit ihm wurden ermord't;
Als wenn der Wind ein'n Baum umreißt,
Der eine den andern mit niederschmeißt,
Daß sie beid' nicht allein verderben,
Sondern viel junge Nachbarn mit sterben.
Das sechste Kapitel.
Wie Frieblieb sein Volk anführet und den
König erlöset.
Friedlieb aber hat längst im Feld
Auf hohe Bäume Wache gestellt,
Und kamen von den flücht'gen Haufen
Etliche zu ihm gelaufen,
Berichten, Alles wär' verlor'n,
Da sprach Friedlieb in großem Zorn:
„So geht's, wenn man im Krieg veracht't
Guten Rath, Kundschaft, fleißig Wacht.
Wohlan! Zu warten nicht gebührt,
Bis der König uns selbst zitirt,
Wir müssen uns auch lassen sehen,
Als treue Unterthanen bei ihm stehen,
102
In dieser Noth bei ihn hintreten
Und, so Gott will, daraus erretten.
Folgt mir getrost dem Ufer nach,
Und habt wohl in Acht eu're Sach' !
Fünf Fähnlein aber sollen stehen
Und auf der Sachen Fortgang sehen,
Daß ich nicht von den losen Possen
Unversehens werde eingeschlossen!"
So zogen auf die weißen Mann,
Die andern Schiffe kamen auch heran,
Und ließen die Segel sich sehen,
Die auf den Bergen blieben stehen.
Als nun die Frosch' dieß Wunder sahen,
Daß solche weiße Leut' sich nahen
Beides zu Wasser und zu Land,
Das Herz sich in dem Leib umwand.
Aber Friedliebens zwölf Heertrummen (-trommeln)
Machten ein gar erschrecklich Brummen,
Und vierundzwanzig Klarinetten
Fingen an auch zu trompeten,
Das weit in dem See überall
Gab einen doppelten Wiederhall.
Er fiel ein zu der rechten Hand,
Wo sich das Wasser stößt an's Land,
Und wo der allgemeine Hauf
Unerfahr'ner Frosch' wartet drauf,
Daß man die Mäus' in's Wasser stieß.
Das bracht' den Fröschen groß Verdrieß,
Daß sie den König sollten lassen
Und nun verwahren diese Gassen,
Und sollten jenen lassen entfliehen.
Die Befehlshaber riefen und schrieen,
Insonderheit Makron, der Held,
103
Bermahnt, weil es gewonnen gelt',
Daß Jedermann fället' den Spieß,
Und den Feind nicht einbrechen ließ';
Der Mäus'könig wär' schon gefangen;
Am höchsten Baume sollt' er hangen.
Der gemeine und alberne Mann,
Der zuvor nie zum Kriege kam,
Verstand das Spießfällen nicht recht,
Warf seine Wehr auf den Acker schlecht,
Und stand da mit leerer Hand,
Oder lief erschrocken in's Land,
Meint', daß die Schiffe und weißen Leute
Nichts anders, denn Gespenster bedeuten.
Da erhob sich ein Mordgeschrei ;
Die Heldenfrösche wollten herbei,
Den Einfall zeitig abzuwehren;
Die Wehrlosen hüpften die Queren.
Friedlieb vernahm gar bald die Sach'
Und eilt' den Flücht'gen hintennach,
Und stach darein wie in die Schwein',
Bis er das Ufer machet rein,
Die Frösche all' den Berg 'nauftrieb,
Und ein weiter Raum um ihn blieb.
Da fand er unter Mann und Rossen,
So von den Fröschen waren erschossen,
Vorklugen liegen an der Erde,
Der war gefallen mit dem Pferde,
Und rief, er mög' sich sein erbarmen.
Die Trabanten nahm'n ihn bei'n Armen,
Zogen ihn hervor mit Gewalt,
Daß sich der Stiefel am Fuß zerspalt't,
Und die Sporen hängen blieben.
104
Das dankt er herzlich dem Friedlieben,
Und hinket hin zum Hinterhalt,
Wohin er ward begleitet bald.
In diesem Lärmen und Auflaufen
Bekam der König und sein Haufen
Nun wieder einen freien Paß,
Und rückt zu Friedlieben fürbaß,
Ließ ihm sagen, daß er fortzieh'n sollte,
Und daß er ihm nun folgen wollte,
Und sich nach Friedlieb richten eben,
Weil Gott dem hätt' das Glück gegeben.
Drauf zog Friedlieb und seine Mann
Zwischen dem Berg und See hinan,
Und der König hintennach.
Ein Jeder schickt sich in die Sach',
Vornehmlich die spanischen Schützen
Alle zu Friedliebs Hinterhalt stürzen,
Und ihre Station da nehmen,
Bis sie neuen Befehl bekämen.
Wie das die Froschherren gesehen,
Blieben sie auch nicht daselbst stehen,
Wählten an dem Berg' die Stätt',
Die zuvor das Schwarzfähnlein hätt'.
Da machten auch die Kriegesheld'
Ein' neue Ordnung in dem Feld,
Wie sie wollten die Wehr vornehmen,
Wenn die Mäuse wiederkämen;
Der gemeine Mann jedoch verzagte,
Und lief, auch wenn ihn Niemand jagte.
So war der Streit in kurzer Zeit
Auf andre Weise denn erneut.
105
Das siebente Kapitel.
Wie die Kriegsheere von neuem gegeneinander
aufziehen.
Als nun die Sonne ging hinab,
Der Berg ein'n langen Schatten gab,
Der Wind aber zwischen West und Nord
Je länger, je stärker weh'te fort,
Wandte Friedlieb gar geschwind
Den Rücken gegen Sonne und Wind,
Und schwang sein Schlachtheer in die Krümm',
Vom Wasser gegen die Frosch' herum,
Und zog straks auf den Päderan,
Der wiederum hielt vorne an.
Indeß kam auch der Hinterhalt
Heran, wie Friedlieb hatt' bestallt,
Lauter junge, frische Kunden,
Die alle ihren Mann wohl stunden.
Wie das Mohrtanzens Leutenant
Vom hohen Berg herab erkannt',
Bracht' er die Schützen mancherlei
Hinter den Fröschen auch herbei.
Da ging der Kampf von neuem an,
Daß fielen beide, Roß und Mann,
Da lag ein Frosch, hier eine Maus,
Und groß Geschrei drang weit hinaus.
Das Blut floß auch so tief im Feld,
Als wenn es aus der Erde quellt'.
Friedlieb rannt' auf Paderan,
Daß er den Schild mußt' fallen lan (lassen),
Und rücklings stürzen über's Roß,
Was seine Reiter sehr verdroß,
106
Die alle auf Friedlieben stachen.
Er achtet aber nicht der Sachen,
Sondern drang auf die Feinde ein,
Zornfunkelnd wie ein wildes Schwein,
Und eilt immer im Haufen baß (fort),
Daß er dem König bahnt die Gaff',
Und die Reihen der Frösche trennt,
Den Krieg brächt' zum gewünschten End'.
Er schlug indeß, wen er bekam,
Den Einen todt, den Andern lahm;
Gründeln stach er das Herz entzwei,
Und weil Bachart noch stand dabei,
Der Gründeln da beschützen wollt', —
Denn er war ihm von Herzen hold, —
So spießt' er Bacharts rechte Hand,
Daß sie Gründeln auf der Brust feststand.
Es kam auch an ein edler Schwabe,
Ein schöner, wohlberedter Knabe,
Springer genennt, war gern dabei,
Wo man sollt' stiften Meuterei.
Der bespottet Friedliebens Kleid,
Fragt, ob er kam' zur Fastnachtsfreud',
Ob er wollt' wissen, wie es thut,
Wenn durch das Weiß flöß rothes Blut;
Die Wollust wollt' er ihm gewähren,
Daß er des Priesters sollt' begehren,
Und legt damit die Stangen ein,
Ihn durchzurennen wie ein Schwein.
Friedlieb sprach: „Du, mein Schwabenkind,
Brauch' nur die Fäust', und spar' den Wind!"
Gab einen Streich ihm mit dem Schwert',
Daß er halbtodt hinfiel zur Erd'.
Dergleichen that er Mückenschluckern,
Gänsfüßern, Tauchern, Wasserguckern
107
Und Andern ohne Zahl und Namen,
Wie sie ihm vor die Augen kamen.
Und machet seinen Mäusen Bahn,
Als ob man säh' bergunter gahn (gehn)
Einen schweren Mühlenstein
Ueber die Kräuter groß und klein,
Alles umstoßen, niederreißen,
Gewaltig in ein'm Druck zerschmeißen.
Darauf kam auch der Rathmann,
Hielt mit seinem Volk tapfer an,
Folgt' dem Friedlieb auf dem Fuß,
Brachte den Fröschen bösen Gruß;
Und da Watarachs ihm wollt' begegnen,
Mit dem Faustkolben ihn zu segnen,
Setzt er sein Schwert ihm in die Seite,
Daß er sich krümmt wie eine Weide,
Fiel in seiner Trabanten Hand
Für todt von seinem Roß auf's Land.
Darüber die Frösch' ergrimmten sehr,
Stellten sich hart zur Gegenwehr,
Wollten rächen ihres Fürsten Tod,
Gält' es gleich die äußerste Roth.
Der starke Frosch, Hellruf genannt,
Maus Lecker durch die Leber rannt',
Dieweil er bei der Mäuse Schaar
Mit vorne an der Spitze war,
Und sprach: „Da lieg', du lose Maus!
Kannst du bleiben nicht zu Haus?
Willst uns bringen ein'n Mummenschanz,
So siedelt man dir solchen Tanz."
Er fiel zurück in Staub hinein,
Macht' sein weiß Hemdlein gar unrein.
Bald traf Hellruf'n ein Pfeil an'n Kopf,
108
Daß er auch stürzt, der arme Tropf,
Und blieb urplötzlich selber todt,
Dem eines Andern Tod war ein Spott.
Daß er aber nicht bleib' allein,
Lag er Dreckfroschen auf ein'm Bein,
Was Lochkriecher ward schleunig inn',
Schoß seinen Spieß nach Dreckfrosch hin,
Daß in der Eil' die ganze Stang'
Ihm durch den Brustknochen hindrang,
Und er kam in die letzte Noth,
Die Seel' fuhr hin, und er blieb todt.
Topfkriecher war auch nicht faul,
Hieb Beisköhlern nach dem Maul,
Daß die Sturmhaub' poltert herunter.
Beisköhler sagt: „Das wär' ein Wunder,
Wenn ich das hinnähme für Scherz!"
Erstach Topfkriechers edles Herz.
Der Held Brodfraß stach aber auch
Den Frosch Schreihälsen durch den Bauch.
Wie Herr Seefreud aber sah,
109
Was seinem Freund Schreihals geschah,
Daß dieser so ganz jämmerlich
Hinterrücks taumelt von dem Stich,
Und nicht mehr hatt' sein Schwert und Spieß,
Den er in Mäusen stecken ließ; —
Ergriff er einen Mühlenstein,
Und lief damit auf Brodfraß ein,
Warf ihn den mitten auf den Hals,
Daß seinem Aug' ward finster All's.
Maus Leckschwanz bald ein'n blanken Spieß
Ihm wieder nach der Seite stieß,
Und fehlte auch nicht um ein Haar,
Sondern durchstach seine Leber gar.
Darüber erschrak von Herzensgrund
Kohlfraß, ward bleich um den Mund,
Schnell sich auf die Flucht begab,
Und sprang wieder vom Ufer ab;
Aber der Leckschwanz eilt ihm nach,
Macht von hinten zu die Sach',
Daß er sich streckt auf seinen Bauch;
Der Odem, der entging ihm auch,
Und sein schön purpurfarbnes Blut
Nann zugleich mit der Wasserfluth.
So blieb er liegen in der Noth
Am selben Ufer gar für todt,
Wo auch viel seiner Gesellen lagen,
Erstochen, erschossen und erschlagen.
Unterdeß Schrotkäs mausen ging,
Perlen zu suchen und güldne Ring',
Bis der Seefrosch über ihn kam
Und ihm Leben und Waffen nahm.
110
Das achte Kapitel.
Fortsetzung des allgemeinen Kampfes.
Gutbischen war eine schöne Maus,
Erzogen in der Großmutter Haus,
Und hielt sich im Streit gar verwegen,
Als wär' er sicher vor allen Schlägen.
An dem wird Weitmaul bald gewahr,
Daß er zur Linken in dem Haar
Unter dem Arm ein Beutlein trug.
Weitmaul meint: „Da ist Geld's genug!"
Und stach ihn männlich durch den Rücken,
Naß er sich todt in's Gras mußt' bücken,
Und riß in Eil' den Beutel weg,
Lief damit über einen Steg
Unter einen Dornbusch geschwind,
Zu schauen, was er für Beute sind',
Er riß, er biß mit allem Fleiß,
Bis er das Beutlein gar zerreiß'.
Meinen und Hoffen tröstet wohl, —
Geräth aber selten wie es soll. —
111
Drin war ein Pergament mit wundersamen
Charakteren, Zeichen und Namen,
Dabei noch gefunden ward
Orand, Widerthan, Eisenhart
Mit einem Stücklein Käs und Brod,
Auch ein Knöchlein von einer Kröt',
Ein Auge von der schwarzen Katze,
Ein langer Schwanz von einer Ratze,
Das ihm die Großmutter einbund,
Damit er nicht würde verwund't,
Auch nicht bezaubert irgend womit;
Aber dießmal half's ihm nit.
Weitmaul aber erschrak dermaßen,
Und konnt' sein'n großen Zorn nicht lassen,
Daß seine Hoffnung war verfehlet
Und er zum Schatz die Kohle gewählet;
Kam in dem blinden Grimm gelaufen
Zur Seit' hin an der Mäuse Haufen,
Die hießen ihn willkommen fein,
Stachen als auf ein wildes Schwein,
Einer durch den linken Arm,
Der Andere ihm durch den Darm.
Er aber griff gar grimmiglich
Mit seinen beiden Fäust'n um sich,
Daß er in den Armen umfing
Den jungen Fechter Springering,
Welchen das heftig verdroß,
Und wollt' sich wieder winden los,
Fing an in's Gesicht zu schmeißen,
Zu treten, zu kratzen und zu beißen,
Bis Weitmaul endlich umher tappt,
Den Springring bei dem Kopf erschnappt,
Und bis zur Achsel ganz umschlingt,
Sich selbst und ihn um's Leben bringt;
112
Denn beid' erstickten sie also
Und lagen zum Spektakel da,
Wie ein Wunderthier mit acht Füßen;
Die Frosch' und Maus' zusammenstießen.
Vor den Mäusen auch Einer ging,
Der starke Pommer Bohrdenschink,
Wollt' den Fröschen mit seinen Keulen
Klopfen an ihre Augen Beulen.
Wie den erblickt der Münzenfraß,
Der gern am grünen Anger saß,
Da war es ihm kein Schimpf und Scherz,
Ganz und gar entfiel ihm's Herz,
Daß er den Schild und auch den Spieß
Vor großem Schrecken fallen ließ,
Und wagte in den See ein'n Sprung,
Verkroch sich schnell tief in den Grund.
Das mußten and're Sechs entgelten, —
Die muthig sich zur Wehre stellten,
Und wollten Bohrschinken empfangen
Mit ihren langen Binsenstangen —
Als Rurendreck, Plumpart und Quacker,
Abendschreier, Wascher, Nachtwacker.
Denselbigen warf er verwegen
Seine Keule in die Spieß' entgegen,
Worauf er sie noch trat und schlug,
Bis sie alle hatten genug.
Fürst Wasserfreund, der trug auch Haß
Zum mach'gen Fürsten Schinkenfraß,
Und weil er lang' mit ihm gerungen,
Mit Schwert und Stang' auf ihn gedrungen,
Auch so manch' Kampfstück vorgenommen,
Daß sie beid' von den Pferden kommen,
113
Dennoch ihn konnt' verwunden nicht,
Dieweil der Harnisch war so dicht, —
Warf er ein'n Stein mit großer Macht
Ihm an den Hals hin, daß es kracht',
Daß Hirn und Blut vorn aus der Nasen
Hinflossen und färbten den Rasen.
Der Stein traf auch den Kornefraß,
Daß seines Eides er vergaß
Und hinket davon über Macht
Mit großen Schmerzen aus der Schlacht.
Das neunte Kapitel.
Fortsetzung.
Es war auch ein sehr frommer Mann,
Ein Frosch, Herr Dreckhäuser mit Nam'n,
Pflegte den Fröschen die Tänze zu geigen
Und vorzusingen ihre Reigen;
Zu dem kam in Eil' gegangen
Der Tellerlecker mit der Stangen,
Womit er ihn zu Tode stach,
Daß die Nacht ihm die Augen brach;
So ließ er Geige, Sang und Tanz
Für immer fahren auf der Schanz.
Marx Bauchfraß drang auch stark, herein,
Ergriff Spurbarten bei dem Bein,
Faßt ihn auch hernach bei dem Schopf,
Stürzt ihn in'n See über Hals und Kopf.
Olunx schlug drauf den Zuckermund
Die Nase mit dem Stecken wund,
Daß die Blutstropfen herausdrangen
Und in dem Barte blieben hangen.
Zuckermund war's Gesicht zu kurz,
Daß er vom Pferde that ein'n Sturz,
114
Rief laut und zeiget da sein Buch,
Gewunden in ein Altartuch,
Daß er ein heil'ger Priester wär',
Man wollt' doch schonen seine Ehr'.
Olunx sprach: „Wärst du beim Altar,
So bliebest du ohn' all' Gefahr,
Lehrtest die Mäuse beten daheim;
Willst aber du ein Krieger sein,
Und uns mit Schlägen absolviren,
So muß ich dich auch degradiren,
Und auf solch' Absolution
Geben den gebührlichen Lohn."
Und schlug damit ein'n starken Streich,
Vermeinte ihn zu tödten gleich.
Doch Zuckermund besann sich frisch,
Entsprang dem Olunx wie ein Fisch,
Und lief feldein so ganz verzagt,
Als hätt' der Teufel ihn gejagt,
Daß er vor'm Altar fiel zu Boden,
Und hatte fast mehr keinen Odem,
Erholte sich, doch mit Beschwerd',
Und setzt' sich auf des Priesters Pferd;
Behielt das Buch und Tuch zur Beute,
Und drückt' sich damit auf die Seite.
Der Stückeldieb, der sah dieß an
Und ward den Fröschen heftig gram,
Und verdroß ihn über die Maßen;
Wollt' es nicht ungerochen lassen,
Daß sie so viel' seiner Gesellen
Sollten so nach einander fällen.
Er schmiß Dreckhäusern in's Gefräß,
Daß er hinfiel auf's Gesäß,
Faßt' auch die Stang' in großer Eil',
Gab erst Dreckhäusern seinen Theil,
115
Schoß dann Erdfrosch grimmiglich,
Daß Leib und Leben spaltet sich,
Und er da vor ihm niedersank,
Die Seel' zur Höll' sich hinabschwang.
Der Mohrink hatte darauf Acht
Und warf ein' Hand voll Erd' mit Macht
Dem Stückeldieb in's Angesicht,
Daß er beinah' mehr sahe nicht.
Da ward er erstlich sehr entrüst't,
Faßt' einen Stein sehr groß und wüst,
Gleichwie er an dem Acker lag,
Der Bauern Malstein zu sein pflag (pflegte),
Damit warf er auf Mohrink ein,
Und zerbrach ihm das rechte Bein,
Daß er nicht mehr konnt' halten Stand,
Sondern zurückstürzt' in den Sand,
Und mit ihm seiner Nachbarn drei.
Da erhob sich ein groß Geschrei;
Ihrer viel entsprangen vor Schrecken,
Ihrer viel warfen Stein' und Stecken
Wie ein Hagel von allen Enden.
Er vertraut Harnisch und Händen
Und riß hindurch ohn' alle Scheu,
Wie durch die Hund' ein junger Leu;
Faßt' auch den Breit fuß bei ein'm Bein
Und schlug damit auf Andre ein,
Daß ihn'n die Därm' an'n Kbpfen hingen,
Als wenn durch Reife sie wollten springen.
Bis die Frosche von hinten liefen,
Bei seinem Schweißohr ihn ergriffen
Und Ruflaut mit der langen Stang'
Von vorn so männlich auf ihn drang,
Daß der Spieß bald ganz und gar
116
In dem Bauch verstecket war.
Und wie er mit der starken Faust
Den Spieß zog wiederum heraus,
Folgt' hintennach das Eingeweid',
Zerstreut sich auf der Erde breit,
Daß er davor nicht mehr konnt' gehen,
Sonder blieb unverzaget stehen,
Schlug zu Boden, wen er ertappt,
Bis daß er auch den Geist aufgab.
Was hilft die Stärke und Weisheit?
Der Tod sieget zu aller Zeit.
Das zehnte Kapitel.
Wie die zwei Könige mit einander zu streiten kommen.
Dieweil so währet dieser Strauß (Streit)
Und des Königs Volk auch zieht aus,
Kommt Friedlieb, der männliche Held,
Aus dem Haufen in's freie Feld
Mit tausend seiner besten Mannen,
Hält an mit Bitten und Vermahnen,
Die Schützen wollten zusammenhalten,
Bis alle Frosche das Blut bezahlten,
Das sie zuvor vergossen hatten,
Und was sie an dem König thaten.
So sagt' er auch zu seinen Leuten,
Daß sie wollten männlich streiten;
Dieweil die Frösche wären verzagt,
So würden sie gar bald verjagt.
Wie er also das Voll anred't,
Und die Frösche zur Seit' umgeht,
Daß ihrer keiner konnt' entlaufen,
Erblickt der König in dem Haufen
117
Bausback, der seinen Sohn ertränkt
Und damit diesen Krieg verhängt;
Und rief zu dem Gardenhauptmann :
„Brich hin zu Bausbacken die Bahn,
Daß mit meiner Faust werd' gerochen,
Was er an meinem Sohn verbrochen!"
Als dieß vernommen Jedermann,
Ward vor dem König die Hauptfahn'
Nach König Bausbacken gewandt,
In das Froschheer zur rechten Hand.
Und ob der König wohl bedachte,
Wie er sich heimlich davon machte,
Was ihm seine Helden riethen,
Daß er entwich' des Königs Wüthen:
So fand er dazu keinen Weg;
Friedlieb verlegt' ihm Weg und Steg;
Außer daß etliche zaghafte Mann
Mit Noth flohen den Berg hinan, —
Davon Mordachs entwich zuvor.
Und sein Leben im Thal verlor, —
Denen jedoch der Riese nachstieg,
Und herunterstürzt', wen er kriegt',
Oder mit seiner Keul' zerschmiß,
Wer sich am Wege finden ließ.
Viele auch, wenn sie die Hörner sahen
So schrecklich oben heraus ragen,
Meinten, daß es der Teufel wär',
Liefen zur Seit' und in die Quer,
Wie ein Hauf' Staare umher zeucht,
Wenn der Habicht darunter fleugt.
Indem er die Frösche so erschreckt,
Und sucht, wo jeder sich versteckt,
Find't er im Busch ganz zufällig
118
Neun Bienkörbe von Stroh zugericht't,
Die der Bauersmann auf ein'm Bret
Am Hang zur Sonn' gestellet hätt'.
Dahin führt er seine Knaben,
Die müssen das Bret untergraben,
Und es über die Seit' aufheben,
Daß die Körb' anfangen zu beben (wanken),
Und endlich sich all' auf einmal
Zu den Fröschen wälzen in's Thal,
Als säh' man Gerstengarben ringen,
Oder Glocken zum Thurm 'rausspringen,
Daß all' ihr Vorrath herausschoß
Und Wachs und Honig umherfloß.
Dadurch die Bienkönig' entbrannten,
Und ihre Unterthan'n vermahnten,
Daß sie's nicht ließen ungerochen.
Sie flogen, brummten, bissen, stachen
Unsinnig auf der Frösche Heer,
Als wenn die Luft voll Teufel wär',
Daß die Frösche quakten und pfiffen,
Erschrocken durch einander liefen,
Wie die Schweine zu thun pflegen
Im Blitz, Donner, Hagel und Regen.
Insonderheit sie ihren Rossen
Rissen gar erschreckliche Possen,
Stachen ihn'n Maul und Nas' voll Beulen,
Ließen sie rennen, springen, heulen,
Treten, schlagen, zappeln und zagen,
Bis sie todt darnieder lagen,
Ihre Reiter selber erdrückten,
Oder aus Furcht in die Körbe rückten.
Da wurden sie erst recht empfangen,
Als wie im Storchnest die Hausschlangen;
Bei tausend nahmen so ihr End',
119
Oder wurden gelähmt, geblend't.
Viel Mäus' auch geriethen mit in's Gelag,
Und wußten nicht, wie ihnen geschach,
Und wie die Bienen dazu kämen,
Daß sie sich ihres Kriegs annähmen;
Und weil die Bienen so vermessen
Ihr' Spieß' dem Feind im Leib vergessen,
Blieben die all' todt zur Statt',
Flogen nicht zurück auf's Bret.
Das elfte Kapitel.
Der Könige Zweikampf
Mttlerweil' immer näher kamen
Beider Könige Helden zusammen,
Daß überall es gab weidlich' Kappen
Und Mancher kriegt ein' gute Schlappen,
Daß hinpurzelte Mann und Roß,
Wie sehr ihn auch der Spaß verdroß.
Bis die Mäuse hatten Ueberhand
Mit der Sonn' und des Wind's Beistand,
Und die Frosch' vor Pfeil', Bienen, Stein'
Nicht länger konnten beständig sein,
Sondern mit Gewalt zur Seite drangen,
Ueber ihre Leute selber sprangen,
Und die Könige mit wenig Mannen
Zusammen stutzten bei den Hauptfahnen.
Als nun der Mauskönig da fand
Den Froschkönig zur nächsten Hand,
All' sein Geblüt in das Haupt trat,
Das er zuvor in'n Füßen hatt',
Vor bitteim Zorn und großem Grimm,
Und rief ihn an mit heller Stimm' :
120
„Halt! du blutdürstiger Tyrann,
Hast du nicht Böses g'nug gethan,
Daß du mein'n allerliebsten Sohn,
Den einz'gen Erben meiner Kron',
Ersäuft verrätherischer Weis' ?
Willst du noch haben auch den Preis,
Daß du das ganze Mäus'geschlecht
Ermordet habest wider Recht ?
Das wird Gott nicht lassen geschehen,
Und soll's dir an dein Leben gehen;
Drum wehr' dich meiner, es ist Zeit!
Hast mir genug gethan zu leid!"
Er antwortet: „Ich bin ein Mann,
Der zu Ehren antworten kann,
Und hätt' deinem Sohn kein Leid gethan,
Hätt' er die Hand nicht lassen gahn,
Und sich selber gebracht in Noth,
Für das Leben gewählt den Tod.
121
Daß du darum in zorn'gem Muth
Vergießest so viel unschuldig Blut,
Und mir auch darfest den Tod dräuen,
Hoff' ich, soll dich gar bald gereuen;
Gott wird meiner Unschuld gedenken,
Und dir verdienten Lohn einschenken!"
Darauf sie ihre Ross' ermannten,
Und gemeiniglich zusammenrannten.
Bausback hoffte mit seiner Stangen
Den Mausekönig zu erlangen,
Bevor der ihn mit seiner rührte,
Er überwog aber die Bürde,
Daß er zu tief sie sinken ließ,
Parteckfressern in'n linken Fuß stieß,
Daraus sie bald siel in den Sand.
Parteckfresser noch mehr entbrannt',
Und rannt' auf Bausbacken gar wilde,
Er versetzt' aber mit dem Schilde,
Davon in einem Hui die Stang'
Bausbacken in die Achsel sprang,
Die Parteckfresser hängen ließ,
Und ergriff den Säbel gewiß,
Wollt' ihn setzen den in'n Nack'.
Sein Sohn Frommkind gar sehr erschrak,
Sprang in Eil' zwischen beide hinein,
Und sprach: „Das soll nimmermehr sein!"
Hielt Parteckfressern Arm und Wehr.
Der aber sprach: „Wo kommst du her?"
Bausback rief laut: „Ach schon', ach schon' !
Er ist mein eingeborner Sohn!
Ich will für ihn thun, was ich soll."
Mauskönig sagt: „Ich thät' es wohl;
Doch seh' ich, daß er noch will prahlen
122
Mit meines tobten Sohn's Korallen,
Die er da führt an seiner Brust.
Das soll ihm sein ein' kurze Lust!"
Damit wandt' er sich über Ort,
Und gab ihm einen Streich sofort,
Daß der Kopf auf der Achsel hing
Und er todt zur Erde ging;
Das Blut auch stürzte so empor,
Als wenn am Born zerreißt ein Rohr,
Und das Wasser herausdringt,
Oder stark aus dem Felsen springt.
Das macht Bausbacken so ein'n Schrecken,
Daß sein Arm starrte wie ein Stecken,
Daß er seine Füß' nicht fühlt',
So bald wurden sie ihm erkühlt,
Und Blut und Wärm' drang zu dem Herzen,
Zu erleichtern die bittern Schmerzen.
Und da der König nach ihm strich,
Und das Pferd traf, da er entwich,
Daß sich das Pferd davon entrüst't,
Sprang, rief und schlug um sich gar wüst,
Stürzt Bausback auch plötzlich vom Pferd,
Die schwere Stang' zog ihn zur Erd'.
Die Frösche riefen: „Weh und Ach!"
Die Mäuse schrie'n: „Gewonnene Sach' !"
Er wär' auch so geblieben todt,
Wenn Grünrock nicht in solcher Noth
Sein's Königs sich hätt' angenommen,
Und zeitig wär' zu Hilfe kommen.
Der stand auf wider Parteckfresser :
„Unfern König halten wir besser",
Sprach er, „daß du ihn sollst ermorden!"
Und rannt' auf ihn mit diesen Worten.
123
Der Schild aber war gut und hart,
Daß er nicht durchgebrochen ward,
Sondern daß Grünrocks scharfer Spieß
Die Spitz' im Rande hängen ließ,
Und zum Kampf nicht mehr tauglich war,
Was Grünrock brachte Tod'sgefahr.
Doch mittlerweile traten heran
Des Bausbacken getreue Mann,
Zogen die Spießstang' aus der Wund',
Rieben mit frischer Erd' den Mund,
Besprachen das Blut mit vier Namen:
„Jesod, Saddam, Kearez, Amen!"
Setzten ihn auf ein ander Pferd
Und brachten ihn mit viel Beschwerd'
Einen verborgenen Weg zum See.
Das that dem Mäusekönig weh,
Daß ihm sein Feind so war entgangen;
Und ob er gleich verlor die Stangen,
So braucht' er doch den Säbel werth,
Schlug er den Grünrock von dem Pferd,
Und, da er sich an ihm wollt' rächen,
Des Königs Roß auch wollt' erstechen,
124
Gerieth ihm der Hieb an die Brust,
Daß der Magen mit allem Wust
Aus dem Leibe herausquoll
Und auf der Erd' zerstreut ward all'.
Und als Grünrock des Königs Fuß
Im Fall ergriff voll Verdruß,
Hieb der König ihm gar behende
In einem Streich ab beide Hände.
So mußt' der muth'ge Held sein Leben
Für seines Königs Wohlfahrt geben;
So kam sein edler Leib und Blut
Der ganzen Froschnation zu gut.
Damit die Lebend'gen werben,
Müssen viel Lebend'ge sterben.
Desgleichen die Trabanten all'
Kamen daselbst auch zu Fall,
Und viel tausend mannhafter Helden,
Deren Namen zu lang zu melden.
So ging es denn, wer erst gewann,
Der ward zuletzt ein armer Mann.
Die Mäuse behielten die Ueberhand,
Das Froschblut floß über's ganze Land;
Die Mäuse aber auch mit unterlagen.
Da hört' man ein jämmerlich Klagen;
Dem fehlt' ein Aug', Dem Hand und Bein,
Der lag gefangen in Därmen drein;
Viel waren in der Mitt' entzwei,
Und das Elend war mancherlei,
Und war weder End' noch Maß.
Man schlug die Frosch' je mehr, je baß (besser),
Dieweil ihr König war entritten
Und sie verzagt ohn' Ordnung stritten.
125
Das zwölfte Kapitel.
Wie die übrigen Frösche erledigt werden.
Es war aber ein kühner Held
Vor allen Mäusen auserwählt,
Des frommen Brodfeinds lieber Sohn,
Wie der Simson muthig und schön, —
Der mannhafte Ritter Brockenfraß,
Der allen Mäusen sehr lieb was (war),
Darum, daß unter allen Knaben,
Die von Mäusen ihr'n Adel haben,
Keiner so lang und so vermogen
Allen Kriegern war nachgezogen,
Und in gar mancher großen Schlacht
Bewiesen hatte Muth und Macht.
Der trat allein hin an das Meer
Und hob sein Haupt gar hoch empor,
Schwur hoch und theuer einen Eid,
Er wollt' den Fröschen thun groß Leid.
Als aber nun der König nicht wollte,
Daß man den Fröschen nachjagen sollte,
Und seine übrige Mäuseschaar
Unnöthig setzen noch mehr in Gefahr,
Weil besser war', ein'n Freund erhalten,
Als tausend Feinde in Stücke spalten;
Und des Königs Sohn die Gewalt
Mit seinem Blute hatt' bezahlt;
Der Vater auch so viel bekommen,
Daß blut'gen Abschied er genommen;
Sondern nur Diese erlegen,
Die zur Wehr sich stellten verwegen,
Die Andern aber laufen lassen: —
Rief er dem König Übermaßen,
Er wollt' in gar gewonnenen Sachen
126
Sein' Ehr' und Preis vollkommen machen,
Die Frosch' bis auf den Grund ausrotten,
So dürfen sie des Sohn's nicht spotten;
Er wollt' sein Leben dabei lassen,
Und sein Blut ausspreng'n auf die Gassen,
Oder ihnen den Paß verlegen,
Und Alles, was sich würde regen,
Für sich ganz allein erschlagen,
Wenn Niemand wollt' nach Ehren fragen;
Der Ries' sollt' sie bergunter stürzen,
Er wollt' sie dann im Thal erwürgen,
Daß ihnen das Herz im Leibe bebet,
Und das Gehirn am Pflaster klebet!
Und er hätt's vollbracht fürwahr,
Weil er so stark und mächtig war,
Und andre Mäus' nicht hören wollten,
Daß sie den Weg verrennen sollten,
Sondern von neuem darauf schmissen,
Ihr' Spieße nach den Fröschen stießen: —
Wenn Gott nicht selbst sein' mächt'ge Hand
Gegen die Mäuse hätt' gewandt,
Und sich der Frosch' erbarmen lassen,
Die bedrängt wurden ohne Maßen.
Denn Gott sprach zu seinem Hofgesind',
Zu den Engeln, die bei ihm sind:
„Lieben Kinder, ich muß euch sagen,
Was sich für Wundersachen zutragen
Auf dem Erdboden in der Welt,
Was Satan für ein Spiel anstellt.
Die Mäus sind gegen die Frösch' aufbracht,
Daß sie mit großer Kriegesmacht
Zusammenlaufen, hüpfen, reiten,
Mit Schwertern und mit Bogen streiten, —
127
Wie sonst der Mensch sein Leben wagt,
Wenn ihn sein' Sünd' und Thorheit plagt; —
Und ist der Lärm so weit gebracht,
Daß nun obsiegt der Mäuse Macht
Und die Frösche vertilgen wird,
Was sich keineswegs gebührt.
Denn ob ich wohl, da ich's gesehen,
Dies, zu Anfang so ließ geschehen,
Damit ihr Vorwitz beiderseit
Bestrafet würd' zu rechter Zeit,
Und ihrer nicht würden zu viel
Den Menschen beschwer'n ohne Ziel,
Daß auch der Mensch ein Beispiel hätte,
Wenn er nicht zeitig Buße thäte: —
So bin ich doch mein'm Geschöpf nicht gram,
Ich nehm' mich ihrer aller an,
Ich laß mich ihrer all' erbarmen,
Der Großen, Kleinen, Reichen, Armen.
Und wenn all' Teufel aus der Höllen
Ein'n Sperling vom Dach wollten fällen,
Soll ihnen der Anschlag nicht gelingen,
Sie sollen's nicht zu Wege bringen,
Wenn ich dazu nicht Vollwort gebe,
Sondern will, daß er länger lebe:
Denn ich bin Gott und Keiner mehr,
Alles ich schaffe, schütz' und nähr' !
Darum will ich's nicht länger leiden,
Daß die Mäus' ihre Augen weiden
An so vieler Frösche Tod;
Ich will erretten sie aus Noth.
So sagt, wen brauch' ich zu den Sachen,
Wer kann schleunig den Frieden machen?"
Die Engel sah'n einander an,
Und sprachen all' für einen Mann:
128
„Herr Gott, wir sind zu aller Zeit
Zu dienen willig dir bereit,
Send' und besiehl, wie dir's gefällt,
Wen du willst, so ist Alles bestellt.
Du lässest deine Sündfluth laufen,
Alle Kreatur'n auf Erd'n ersaufen;
Du wirfst deinen Donner und Blitz,
Verbrennst der Sodomiter Sitz;
Du läss'st Moses den Stab ausrecken,
Schickst Frosche, Wanzen und Heuschrecken;
Moses betet, so sind sie frei;
Dem Volk Israel stehst du bei;
Du sendest durch die Luft ein Sterben,
Läss'st Davids Unterthan'n verderben;
Du erschütterst die Welt im Grimm,
Daß Jericho's Mauern fallen um:
Darum erklär' uns deinen Willen,
Wir wollen ihn Angesichts erfüllen!"
„Wohlan!" sprach Gott, „mein Raphael,
Erschreck' die Mäuse auf der Stell',
Schaff' den Fröschen Hilf' aus dem See!"
Er antwort't: „Herr,, dein Will' gescheh' !"
Und fiel, in einem Augenblick
Den bösen Mäusen auf den Rück',
Als ein ganz erschrecklicher Wind,
Daß sie verstoben so geschwind,
Wie Feuer in Büchsenpulver fällt,
Plötzlich zündet und zerschnellt.
Darnach stand er im See derweil',
Bis Gott abschoß seinen Donnerpfeil.
Der ließ ein' schwarze Wolk' aufstehen,
Und den Wind von Mittag gehen.
Bald donnert er da, daß es kracht,
129
Beweget auch den Himmel mit Macht;
Darnach warf er den Donnerstein,
Wickelt' ihn mit Blitzen ein,
Der flog grausam aus seiner Hand
Hinab zur Wahlstatt auf das Land,
Daß Frosch' und Mäus' entsetzten sich,
Stürzten hinterrücks jämmerlich,
Blieben tobt von dem Schwefelstank,
Der durch Gehirn und Herze drang,
Den Odem nahm und sie erstickte,
Daß Feuer aus dem Halse blickte.
Erschrecklich ist Gottes Gericht;
Dennoch half das noch alles nicht:
Die Mäuse wollten immer nachjagen,
Bis die Frosch' all' wären erschlagen.
Doch was hilft Will', was hilft Arbeit,
Wenn Gott zuwider ist der Streit!
Das dreizehnte Kapitel.
Der Krebse Aufzug gegen die Mäuse.
Es kamen aus dem See daher
Aufgezogen langsam und schwer,
Daß sich Frosch und Maus verwundert,
Noch andre Kämpfer viele Hundert -
Tausend geharnischter Äriegsleute,
Die hatten ganz beinerne Häute,
Zusammengesetzt von Schalen hart,
Nach Muscheln- und Schildkröten-Art,
Wie ein Rhinozeros gestalt't,
Wie man den hörnern'n Siegfried malt;
Sehr starke Rücken wie ein Ambos,
Verwahret gegen Stich und Stoß;
130
Hals und Achseln steif und breit
Von rothen Pünktlein glänzend weit;
Eine Haut mit scharfen Spitzen,
Die Augen auf der Brust vorn sitzen
Und auf Stäblein erhaben stehen,
Daß sie konnten weit um sich sehen;
Zu jeder Seit' ein scharfer Zahn,
Wie sonst die Elephanten han (haben),
Und noch drei andre tief im Magen;
Ein' wohlverwahrte Brust und Kragen;
Krumme Hände, acht Füße am Bauche her.
Gingen all' ungleich überquer,
Hinten mit Bogen, vorn mit Scheeren,
Womit sie gegen den Feind sich wehren.
Und wenn auch gleich zur bösen Stund'
Ihr Harnisch irgend wird verwund't,
Daß er untauglich ist zur Wehr',
Legen sie ihn ab ohn' Beschwer',
Wie eine Schlang' die Haut auszeucht,
Und im Sommer ihr Kleid erneut,
Wie der Vogel seine Federn mauset,
Wie Hirsch und Reh die Hörner krauset,
Wenn die alten sind abgefallen
Und die neuen sich hervorballen.
Ja, daß ich größre Wunder sag',
Als ich gehort hab' all mein Tag:
Wenn ihnen beide Arm' und Bein'
Vom Leibe abgehauen sein,
Wachsen sie wieder jederzeit.
Kein Thier hat diese Herrlichkeit.
Wenn sie auch wo im Finstern gehen,
Weder Sonnen- noch Mondlicht sehen,
Haben sie lange runde Stecken,
Wie die Würmer und die Schnecken,
131
Sind vorne an der Stirn gesessen,
Womit sie ihren Weg abmessen,
Und gewiß merken, was sie wollen,
Das ihre Händ' ergreifen sollen ;
Reden aber nichts sonderlich,
Und greifen unerschrocken um sich,
Daß sie fürcht't aller Menschen Hand; ----
Werden die Krebsherren genannt.
Ihr Feldoberster war Astachs,
Schön roth wie fürstlich Siegelwachs,
Sein Leutenant Knipperdolling
Hat ein'n blauen Helm wie ein Fink,
Der Fähnrich aber hieß Rothscheer;
Wer kann nennen das ganze Heer!
Das Fähnlein ragt' weit oben aus,
Darin stand ein' geschund'ne Maus,
Zwei Krebs' zu jeder Seite saßen,
Die sie gleich ungebraten fraßen.
Unten war der Reim zuletzt
Mit großen Buchstaben gesetzt:
In's Andern Ohr das Schneiden thut,
Als gält's einem alten Filzhut.
132
Insonderheit zog vorne an
Ihr Trommelschläger, ein Wundermann,
Schrecklicher an Geberd' und Gang
Als Kröte, Eidechs, Drach' und Schlang',
War ohne Krebsschwanz wie eine Tasche,
Wie eine Spinne und Pulverflasche,
Schwarzbraun getüpfelt mannichfalt.
Ihrer mehr war'n so gestalt't,
Nannten sich die Granconier,
Prangten stattlich mit ihrer Wehr;
Waren mit Astachs vom Meer' gekommen,
Ihre Reis' in's Süßwasser genommen,
Sich zu den Seekrebsen geschlagen,
Krachten einher wie die Kesselwagen,
Wie der Reissgen Vorrath rasselt,
Wie Donner und Hagel herprasselt;
Brachten den Mäusen ein'n Mummenschanz,
Kniffen ihn'n ab Händ', Füß' und Schwanz,
Faßten sie bei der Kehl' und Brust,
Daß ihnen ausdrang Luft und Wust,
Die Seel' auch folget mit Gefahr,
Weil vorn die Thür' versperret war.
Obgleich die Mäuse unverzagt
Gedachten, es muß sein gewagt,
Daß ihr nicht entlaufet mit Schande,
Oder alle todt liegt im Sande,
Stachen und schlugen mit den Wehren,
Als wenn sie toll und rasend wären:
Die Spieße alle beugten sich,
Konnten die Krebse verwunden nicht;
Obgleich noch Etliche widerstunden
Den Krebsen, so gut sie kunnten,
Ihnen frisch in die Augen dreschten,
Ihrer vielen das Gesicht auslöschten,
133
Daß ihnen die spitzigen Nasen
Niederhingen wie alte Fasen;
Gedachten, sollten sie nichts werben,
Wollten sie doch mit Ehren sterben; —
Wie oft der ganz verzagte Mann
Dem Feinde großen Schaden gethan.
Der hat gefährlich zu arbeiten,
Der mit Verzweifelten soll streiten.
Das vierzehnte Kapitel.
Von der Käfer Einfall auf die flüchtigen Mäuse
Es hatten aber am Eichenbaum
Eingenommen ein'n großen Raum
Ein Feuerwurm, viel Mai- und Roßkäfer,
In Sachsen genannt Scharnewever,
Aus Furcht, weil so viel Mäuse kämen,
Sie würden sie gefangen nehmen,
Weil sie gern in die Löcher kreuchen,
Die den Mäusen gehör'n zu eigen,
Und darin nichts brachten, nichts machten,
Ohn' daß sie die Hausleut' veracht'ten,
Alles beschmuzten und bemurrten,
Und dann mit Undank davon schnurrten,
Wenn der Winter war verflossen
Und die Bäume und Blumen schossen.
Derhalben, als ihn'n ward bekannt,
Daß der Sieg bei den Mäusen stand,
Erschraken sie so ganz und gar,
Daß ihnen's Fliegen vergangen war,
Und suchten in der Rinden Spalten,
Wo sie sich heimlich konnten halten.
Nun aber sich das Spiel gewandt,
Und die Mäus' wurden übermannt,
134
Von den Krebsen geschreckt, geschlagen,
Hörten sie wieder auf zu zagen,
Und wollten auch haben den Preis,
Daß sie mit ihrer Stark' und Fleiß,
Mit ihrem Muth und klugen Sinnen
Der Mäus' Heer helfen überwinnen.
Der große schwarze Hausbörner
Schwang die Flügel, steift' die Hörner,
Und sprach: „Mein allerliebster Vetter!
Hört ihr das Rufen und Geknätter,
Womit die Mäus' auf die Flucht gehen,
Weil sie uns hier versammelt sehen,
Weil sie sehn meine Hörner scheinen
Und ohne Zweifel nicht anders meinen,
Als daß ihr all' seid meiner Art;
Darum Keiner auf uns wart't.
Daß auch die Krebs, die lahmen Tropfen,
Die nicht hab'n ein'n ehrlich'n Blutstropfen
In ihrem Leib', in Lung' und Leber,
Die wackelnd gehn wie die Leinweber, —
Dennoch sich dürfen unterstehen,
Den flücht'gen Mäusen nachzugehen,
Und zu pochen mit ihrem Krachen:
Dessen mag man billig lachen.
Wenn ihr nun wär't wie ich verwegen,
Wir wollten Preis und Ehr' einlegen,
Dem Wind geben die Flügeldecken,
Die Füß' und Hörner von uns strecken,
Mit Brumm und Summ die Mäus' erschrecken,
Auf die flücht'gen Schelmen sitzen,
In sie drücken der Hörner Spitzen,
An ihnen wetzen die scharfen Zähn';
Es soll ihnen Hören und Sehen vergehn.
135
Sie sollen sich gefangen geben,
Oder nicht heimbringen ihr Leben,
Darum, daß sie die Zähn' uns weisen,
Oder auch wohl freventlich beißen,
Wenn wir in ihre Löcher kommen,
Im Winter ein wenig darin brommen.
Zeit ist's, daß ihr euch nun ermannt;
Der Sieg steht ganz in uns'rer Hand.
Ich bin der Meister und der Mann,
Der euch tapfer führen kann;
Mein' Hörner sollen die Bahn brechen,
Daß Jeder mag: gewonnen! sprechen."
Die Käfer sprachen: „Wir wollen's wagen,
Die Mäuse jagen, stoßen, schlagen,
Bis sie allesammt werden erstochen;
So haben wir uns tapfer gerochen!"
Und damit schoß der Feuerwurm
Auf den Erdmann mit einem Sturm,
Macht mit den Flügeln ein groß Gebrumm,
Tummelt sich mit ihm um und um,
Als wenn ein unerfahr'nes Kind
Mit seiner Mühl' läuft wider'n Wind
Und sich gar keck und männlich stellt,
Bis daß es auf die Nase fällt.
Die Krebse es sehr Wunder nahm,
Was für ein neu Kriegsvolk ankam,
Wußten nicht, ob sie waren Freunde,
Oder beistehn wollten dem Feinde.
Als sie aber ihnen zusachen (sahen),
Daß sie fest auf den Mäusen lagen,
An sie setzten Zähn' und Zungen,
136
Und die vielfält'gen Flügel schwungen,
Stießen und bissen wie die Emsen,
Die Raupen, Maden und die Bremsen,
Und damit doch nichts andres schaffen,
Als daß sie ritten wie die Affen: —
Spricht der Astachs den Feuerwurm an:
„Woher kömmst du, mein Wundermann?
Wer hat dich zu dem Kampf gebeten?
Wer heißt den Wurm die Mäuse treten?"
Der Feuerwurm brummt und macht sich kraus,
Und sprach: „Es ist die schelm'sche Maus
Schon lange Zeit mein Feind gewesen;
Drum soll'n die Mäuse nicht genesen.
Ich will sie all' allein erschlagen,
Ihr dürft ihnen nicht nachjagen;
Ihr werdet sie doch nicht besiegen,
Weil ihr nicht stoßen könnt, noch fliegen,
Wie ich und meine Rottgesellen,
Wenn wir unsre Macht brauchen wöllen (wollen).
Und weicht ihr nicht, müßt ihr erwarten,
Daß wir euch wie den Mäusen karten!"
Der Astachs so heftig ergrimmt,
Daß er sein'n Harnischhandschuh nimmt,
Ergreift den Feuerwurm mit der Maus,
Drückt ihm Gehirn und Herz heraus,
So daß der Wust herausdrang,
Dem Astachs in's Gesichte sprang.
Der Astachs seine Augen putzt,
Die von dem Käfer war'n beschmuzt,
Und sprach: „Wohl ist das Sprichwort wahr,
Das ich an mir richtig erfahr':
Wer sich mit Unflath schlägt und dreckt,
137
Gewinn' oder verlier', — er wird befleckt.
Schau da, ob du gleich Hörner hast,
So hält mein Handschuh auch noch fast (fest),
Und kann dein'n Trotz und Muthwillen,
Wenn du Lust dazu hast, wohl stillen,
Dich lehren, daß stolzer Muth und Zorn
Ohn' Macht und Nachdruck ist verlor'n!"
So ging es auch der Käfer Heere,
Vekam nur Spott und Schaden für Ehre.
Dieweil nun aber die Krebsherren
Aus dem See sich immer vermehren,
Und grausam die Mäuse morden,
Die nun stritten ohn' Rath und Orden,
Und die Krähen mit Geschrei,
Geier und Weihen mancherlei
Häufig in der Luft her flogen,
Und wie Wolken auf sie zogen: —
Kam allen Mäusen ein Schrecken an,
Und konnten länger nicht bestahn;
Sondern warfen die Wehr aus der Hand,
Nahmen die Flucht in ihre Land',
Und eine jede in ihr Loch
Mit Zittern und mit Zagen kroch.
Die Schwäne fingen auch die Schiff',
Daß ihnen keine Maus entlief,
Sondern von ihnen gefressen ward;
Die aber schon waren an der Ausfahrt,
Die ließen ihre Schifflein stahn
Und liefen alle zum Feld hinan.
Allein Friedlieb zeitig dacht' :
„Nun streit' ich nicht wider Gottes Macht!"
Versammelt eilig seine Leute,
138
Und führt mit sich die Frösch' als Beute,
Die auch des Friedlieben Rathmann
Für sich als sein'n Antheil bekam
Und in der Brandenburger Marken
All' ihr Elend ließ bequarken,
Kamen im Berau'schen Wald zu rechte,
Wurden Enzdorfer Müllerknechte,
Wo sie noch in einem See
Quaken und schreien Ach und Weh,
Auch mit Schlangen, Störchen und Hechten
Täglich haben genug zu fechten.
Die aber waren todt und wund
Und man in Eil' nicht tragen kunnt',
Die blieben auf der Wahlstatt all',
Der Frösch' und Mäus ein' große Zahl.
Doch wurden viel begraben auch
Durch den Hals in ein'n warmen Bauch :
Denn Heinz und Reineck', Jung und Alt,
Kamen am Abend aus dem Wald
Mit ihren Freunden und Gesinde,
Wieseln, Mardern und Weib und Kinde,
139
Auch das Schwein, Dachs, Igel und Iltisch,
Im See der Hecht und andre Fisch', —
Hielten ein köstlich Herrenmahl,
Und fraßen die Erschlag'nen all';
Was aber übrig blieb in Eil',
War Geiern, Weihen und Raben zu Theil.
So ward des Tags der Krieg vollbracht;
Die Sonn' ging unter und ward Nacht.
So fahl, so schal, so kahl geht's aus,
Wenn sich der Frosch rauft mit der Maus.
Aller Welt Macht, Trotz und Streit
Ist lauter Tand und Eitelkeit;
Der Krieg bringt Armuth und Herzeleid.
Gott helf' und tröst' in Ewigkeit!
Ende
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Druck von Julius Betz in Langensalza
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